Der Adler ist gelandet
einer ähnlichen Formation aus Polen und Tschechen mit englischen Offizieren und einmal von amerikanischen Rangers.«
Er reichte den Bericht hinüber und Hofer las. »Aha, zur Zeit steht das Haus leer. Schlagen der Herr Oberst vor...«
»Daß unsere Jungens dort einziehen?« Radl schüttelte den Kopf. »Nicht unbedingt. Sie müssen nur alliierte Uniformen tragen, damit sie sich ohne Aufsehen bewegen können. Eine polnische Kommandoeinheit wäre eine prächtige Tarnung.«
»Dann gäb's auch keine Sprachschwierigkeiten«, sagte Hofer. Radl grinste, er war jetzt bester Laune. »Die Möglichkeit polnisch sprechender Dorfbewohner in Nord-Norfolk dürfen wir wohl ausschließen.« Hofer nickte. »Ja, das klingt gut. Aber ich darf noch erwähnen, daß Mrs. Grey berichtete, die polnische Einheit in Meltham House sei von englischen Offizieren befehligt worden, nicht nur von englisch sprechenden Offizieren. Wenn der Herr Oberst gestatten, das ist ein Unterschied.« »Da haben Sie recht«, stimmte Radl zu. »Ein gewaltiger Unterschied. Wenn der kommandierende Offizier Engländer wäre oder als Engländer gelten könnte, wäre alles hieb- und stichfest.«
Hofer blickte auf die Uhr. »Wenn ich den Herrn Oberst erinnern darf, in genau zehn Minuten beginnt die wöchentliche Abteilungsleiterbesprechung im Büro des Herrn Admiral.«
»Danke, Hofer.« Radl stand auf. »Es sieht demnach so aus, als wäre unsere Durchführbarkeits-Analyse komplett. Es scheint nichts mehr zu fehlen.«
»Nur noch etwas, vielleicht das Wichtigste, Herr Oberst.« Radl, der auf die Tür zuging, blieb stehen. »Was Sie nicht sagen! Und das wäre?«
»Der Führer eines solchen Unternehmens, Herr Oberst. Es müßte ein außerordentlich fähiger Mann sein.« »Ein zweiter Otto Skorzeny«, meinte Radl.
»Genau«, sagte Hofer. »Mit einer zusätzlichen Eigenschaft. Er müßte als Engländer durchgehen können.«
Radl nickte. »Finden Sie ihn, Hofer, ich gebe Ihnen achtundvierzig Stunden Zeit.« Er öffnete die Tür und ging rasch hinaus.
Am nächsten Tag mußte Oberst Radl überraschend nach München und kam erst Donnerstag nachmittag in sein Büro am Tirpitz-Ufer zurück. Er war todmüde. In der vergangenen Nacht war er kaum zum Schlafen gekommen, denn die LancasterBomber der Royal Air Force hatten der Stadt München schwer zugesetzt.
Hofer servierte ihm Kaffee und ein Glas Cognac. »Gute Reise, Herr Oberst?«
»Es ging«, sagte Radl. »Das Aufregendste passierte gestern bei der Landung. Unsere Junkers wurde von einer amerikanischen Jagdmaschine verfolgt. Hat allerhand Wirbel an Bord gemacht, aber als die Mustang an uns vorbeibrauste, sahen wir, daß sie ein Hakenkreuz am Heck trug. Wahrscheinlich eine abgestürzte Feindmaschine, die unsere Luftwaffe wieder instand gesetzt und auf einen Testflug geschickt hatte.« »Allerhand, Herr Oberst.«
Radl nickte. »Hat mich auf eine Idee gebracht, Hofer. Ihre Frage, wie eine Dornier oder Junkers sich über der Küste von Norfolk halten könnte.« Dann sah er einen neuen grünen Umschlag auf seinem Schreibtisch. »Was ist denn das?«
»Der Auftrag, den Sie mir erteilten, Herr Oberst. Der Offizier, der als Engländer auftreten könnte. War nicht einfach aufzutreiben, ehrlich gesagt. Es gibt auch noch ein Protokoll einer Verhandlung vor dem Kriegsgericht, das ich angefordert habe. Müßte noch heute nachmittag eintreffen.«
»Kriegsgericht?« sagte Radl. »Höre ich nicht besonders gern.« Er öffnete den Umschlag. »Wer ist der Mann?«
»Er heißt Steiner. Oberstleutnant Kurt Steiner«, sagte Höfer. »Ich gehe jetzt, damit Sie in Ruhe lesen können. Eine interessante Geschichte.«
Die Geschichte war mehr als interessant, sie war faszinierend. Steiner war der Sohn von Generalmajor Karl Steiner, dem derzeitigen Abschnittskommandeur in der Bretagne. Geboren 1916, als sein Vater noch Major der Artillerie war. Die Mutter war Amerikanerin, Tochter eines wohlhabenden Wollhändlers aus Boston, der aus Geschäftsgründen nach London übersiedelt war. Im gleichen Monat, in dem ihr Sohn zur Welt kam, war ihr einziger Bruder als Hauptmann eines britischen Infanterieregiments an der Somme gefallen.
Der Junge war in London aufgewachsen, hatte, als sein Vater Militärattache an der deutschen Botschaft war, fünf Jahre lang die Schule St. Paul's besucht und sprach fließend Englisch. Nachdem seine Mutter 1931 bei einem Autounfall ums Leben gekommen war, kehrte er mit seinem Vater nach Deutschland zurück, besuchte jedoch
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