Der Adler ist gelandet
bis 1938 regelmäßig seine Verwandten in Yorkshire.
Es folgte ein kurzes Kunststudium in Paris. Der väterliche Monatswechsel war an eine Bedingung geknüpft: Sollte dieses Studium sich als ein Fehlschlag erweisen, dann würde der Sohn die Offizierslaufbahn ergreifen, was er alsbald tat. Kurze Zeit diente er als Leutnant der Artillerie, meldete sich jedoch 1936 zur Ausbildung als Fallschirmspringer in Stendal, hauptsächlich um dem militärischen Alltagstrott zu entrinnen. Man sah sofort, daß er in diesem verwegenen Haufen am rechten Platz war. Er nahm am Polenfeldzug teil und sprang über Narvik ab. Während des Vorstoßes nach Belgien stürzte er bei der Eroberung des Albert-Kanals mit dem Lastensegler ab und wurde am Arm verwundet. Danach kam Griechenland der Kanal von Korinth und dann eine ganz neue Hölle, Kreta. Er machte die große Luftlandeaktion im Mai 1941 als Hauptmann mit und wurde in den erbitterten Kämpfen um den Flugplatz von Maleme schwer verwundet.
Nun kam der Winterkrieg, und bei der Erwähnung dieses Namens fror Radl plötzlich bis ins Mark. »Mein Gott, werden wir Rußland jemals vergessen?« fragte er sich. »Wird auch nur einer von uns es je vergessen können?«
Steiner hatte als Major eine Spezialkampftruppe von
dreihundert Freiwilligen angeführt, die bei Nacht aus der Luft abgesetzt worden war und Befehl hatte, mit zwei während der Schlacht um Leningrad abgeschnittenen Divisionen Kontakt aufzunehmen und sie zu den deutschen Linien zurückzuführen. Dieses Abenteuer hatte ihm eine Kugel ins rechte Bein eingetragen, ein leichtes Hinken, das Ritterkreuz und den Ruf eines Spezialisten für derartige Rettungsaktionen. Lotsendienste. Noch zweimal hatte er ähnliche Einsätze durchgeführt, wurde zum Oberstleutnant befördert, kam nach Stalingrad, wo er die Hälfte seiner Leute verlor, wurde jedoch ein paar Wochen vor dem bitteren Ende, als noch Flugzeuge durchkamen, zurückbeordert. Im Januar wurden er und die hundertsiebenundsechzig Überlebenden seiner einstigen Einsatzgruppe in der Nähe von Kiew abgesetzt, wo sie abermals zwei abgeschnittene Infanteriedivisionen zurückführen sollten. Das Rückzugsgefecht zog sich über vierhundertfünfzig blutige Kilometer hin, und in der letzten Aprilwoche traf Kurt Steiner mit nur noch dreißig Mann seiner Gruppe bei den deutschen Linien ein.
Das Eichenlaub zu seinem Ritterkreuz ließ nicht auf sich warten, Steiner und seine Leute wurden per Bahn in Richtung Heimat in Marsch gesetzt. Am Morgen des 1. Mai erreichten sie Warschau. Am gleichen Abend verließen sie es als Häftlinge unter schwerbewaffneter Bedeckung auf Befehl des SSBrigadeführers und Generalmajors der Polizei Jürgen Stroop. In der folgenden Woche fand die Verhandlung vor dem Kriegsgericht statt, genaue Angaben hierüber fehlten. Nur das Urteil lag vor. Steiner und seine Leute waren zum Dienst in einer Strafkompanie verurteilt worden, zum Einsatz bei der sogenannten »Operation Schwertfisch« auf Alderney, einer der von den Deutschen besetzten Kanalinseln. Radl starrte eine Weile auf die Akte, dann schloß er sie und klingelte nach Hofer, der sofort hereinkam. »Herr Oberst?«
»Was ist in Warschau passiert?«
»Ich weiß es noch nicht genau, Herr Oberst. Die Unterlagen des Kriegsgerichts müßten noch heute nachmittag eintreffen.« »Gut«, sagte Radl. »Was machen sie auf den Kanalinseln?« »Soviel ich herausbringen konnte, ist ›Operation Schwertfisch‹ ein Himmelfahrtskommando, Herr Oberst. Zweck ist die Zerstörung englischen Schiffsraums im Kanal.« »Und wie geht das vor sich?«
»Sie sitzen auf einem Torpedo, dessen Ladung entfernt wurde, Herr Oberst. Zum Schutz des Lenkers ist ein Glassturz aufmontiert. Untendran hängt ein geladener Torpedo, den der Lenker bei einem Angriff losmachen muß. Er selber dreht erst im letzten Moment ab.« »Allmächtiger!« rief Radl entsetzt. »Kein Wunder, daß sie dazu eine Strafeinheit brauchen.«
Lange saß er schweigend da und blickte auf die Akte. Hofer hustete und fragte vorsichtig: »Glauben Sie, er könnte unser Mann sein?« »Warum nicht«, sagte Radl. »Im Vergleich zu seiner jetzigen Beschäftigung wäre das ein Glücksfall für ihn. Wissen Sie, ob der Admiral im Haus ist?«
»Werde ich sofort feststellen, Herr Oberst.«
»Wenn ja, dann würde ich heute nachmittag gern bei ihm vorsprechen. Zeit, daß ich ihm berichte, wie weit wir gekommen sind. Machen Sie mir ein Exposé, kurz und klar. Nur eine Seite, und tippen Sie es
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