Der Adler ist gelandet
dafür aber eine Menge Lärm. Lemke erreichte die Vierzig-Meter-Linie mehrere Längen vor den anderen und hielt immer noch auf das Schiff zu. Steiner war machtlos. Die Bordschützen hatten sich jetzt eingeschossen, eine Kugel prallte direkt vor der Glaskuppel vom Torpedomantel ab.
Er drehte sich um und winkte Neumann zu. »Jetzt!« schrie er und schoß seinen Torpedo ab.
Durch die plötzliche Verminderung des Gewichts machte der Trägertorpedo, auf dem Steiner saß, einen Satz; er drehte schleunigst nach Steuerbord ab und folgte Neumann in einer weitgezogenen Kurve, um so rasch wie möglich von dem Schiff wegzukommen.
Auch Lemke drehte jetzt ab, kaum zwanzig Meter von der Joseph Johnson entfernt, und die Männer an der Reling schossen auf ihn, was das Zeug hielt. Eine Kugel schien ihr Ziel getroffen zu haben, obwohl Steiner es nicht mit Sicherheit feststellen konnte. Er bemerkte nur noch, daß Lemke in diesem Moment rittlings auf seinem Torpedo hockte und aus der Gefahrenzone brauste. Im nächsten Moment war er verschwunden. Eine Sekunde später schlug einer der drei Torpedos direkt im Schiffsheck ein, wo Hunderte von Tonnen schwerer Sprengbomben für die in England stationierten amerikanischen Fliegenden Festungen lagerten. Im gleichen Augenblick, als die Joseph Johnson vom Nebel verschluckt wurde, explodierte sie. Das Echo der Detonation wurde vielfach von der Insel zurückgeworfen. Steiner kauerte sich tief über seinen Torpedo, während die Druckwelle über ihn hinraste, warf sich zur Seite, als ein riesiges Stück verbogenen Metalls vor ihm ins Meer sauste.
Es regnete Trümmer. Sie wirbelten in der Luft herum, und etwas traf Neumann mit voller Wucht am Kopf. Er riß mit einem Aufschrei die Arme hoch und stürzte rücklings ins Meer. Sein Torpedo jagte allein weiter, sprang über die nächste Welle und verschwand.
Neumann war bewußtlos, Blut aus einer häßlichen klaffenden Wunde lief über seine Stirn, doch die Schwimmweste hielt ihn über Wasser. Steiner drehte bei, schlang eine der Leinen um die Schwimmweste des Leutnants und fuhr weiter in Richtung auf die Mole und auf Braye, das im landeinwärts wallenden Nebel immer undeutlicher zu sehen war. Der Ebbestrom war in vollem Gang. Steiner wußte, daß er keine Chance hatte, Braye Harbour zu erreichen, während er vergeblich gegen eine Strömung ankämpfte, die ihn und Neumann unweigerlich weit hinaus in den Ärmelkanal treiben würde. Von dort gäbe es keine Rückkehr mehr. Plötzlich sah er, daß Neumann wieder bei Bewußtsein war und zu ihm heraufstarrte. »Lassen Sie mich absaufen!« flüsterte er. »Schneiden Sie mich los. Allein können Sie's schaffen.«
Steiner antwortete nicht sofort, er konzentrierte sich darauf, seinen Torpedo nach Steuerbord zu manövrieren. Irgendwo dort drüben im undurchdringlichen Nebel lag Burhou. Es bestand eine Chance, daß der Ebbestrom sie dort anschwemmen würde, eine vielleicht nur winzige Chance, aber besser, als gar keine.
Er sagte ruhig: »Wie lang sind wir jetzt schon beisammen, Neumann?« »Das wissen Sie verdammt gut«, sagte Neumann. »Zum erstenmal hab' ich Sie droben in Narvik zu sehen gekriegt, als ich Angst hatte, aus dem Flugzeug zu springen.«
»Ja, jetzt erinnere ich mich«, sagte Steiner. »Hat mich einige Überredungskunst gekostet.«
»Fein ausgedrückt«, sagte Neumann. »Sie haben mich rausgeschmissen.«
Er fror, daß seine Zähne aufeinanderschlugen, und Steiner beugte sich hinunter und prüfte die Leine. »Ja, ein schnoddriger achtzehnjähriger Berliner, frisch von der Uni. Immer ein Bändchen Lyrik in der Hüfttasche. Das Professorensöhnchen, das in der Schlacht am Albert-Kanal fünfzig Meter durchs Feuer robbte, um mir Erste Hilfe zu leisten.« »Hätte ich besser nicht getan«, sagte Neumann. »Was haben Sie mir dafür verschafft? Kreta, dann ein Leutnantspatent, das ich nicht haben wollte, Rußland, und jetzt das hier. Ein glänzendes Geschäft.« Er schloß die Augen. »Tut mir leid, Herr Oberstleutnant, aber es hat keinen Sinn.« Unversehens wurden sie von einem gewaltigen Wasserwirbel erfaßt und in Richtung auf die Felsen von L'Equet an der Spitze von Burhou geschleudert. Ein Schiff lag dort, genau gesagt, ein halbes Schiff; das Wrack eines französischen Küstenfahrers, der im Frühjahr während eines Sturms auf das Riff gelaufen war. Der Rest des Achterdecks hing tief ins Wasser. Eine Welle trug sie hinauf, der Torpedo ritt hoch auf dem Wellenkamm, und Steiner ließ sich
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