Der Adler ist gelandet
Wehrmachtsuniformen tragen. Auf diese Weise würden sie als deutsche Soldaten kämpfen, nicht als Gangster. Wenn nötig, könnten sie im passenden Moment, vielleicht kurz vor dem eigentlichen Angriff, ihre Maskerade abwerfen und in ihrer wahren Gestalt auftreten.«
Radl fand es die abstoßendste Idee, von der er jemals gehört hatte, aber er wußte, daß jeder Einwand sinnlos wäre. »Jawohl, Reichsführer.« »Gut. Alles andere scheint mir eine reine Frage der Organisation zu sein. Luftwaffe und Marine sorgen für den Transport. Der Führerbefehl wird Ihnen alle Türen öffnen. Haben Sie noch Fragen?« »Was Churchill selbst angeht«, sagte Radl. »Soll er lebend gefangengenommen werden? Ich glaube, dieser Punkt müßte geklärt werden.« »Wenn möglich«, sagte Himmler. »Tot nur, wenn es nicht anders geht. Auf jeden Fall ist seine Ausschaltung wichtiger als das Überleben der Einsatzgruppe. Das muß eindeutig klar sein.« »Verstehe.«
»Gut. Wenn Sie gehen, wird Rossmann Ihnen eine geheime Telefonnummer aushändigen. Ich wünsche täglich über Ihre Fortschritte unterrichtet zu werden.« Er steckte Berichte und Karte wieder in den Umschlag und schob ihn über den Tisch. »Zu Befehl, Reichsführer.«
Radl faltete das kostbare Schreiben, steckte es wieder in das Kuvert und verstaute es unter seinem Waffenrock. Er nahm die Aktenmappe und seinen Ledermantel und ging zur Tür. Himmler, der schon wieder zu schreiben begonnen hatte, sagte: »Oberst Radl.«
Radl wandte sich um. »Reichsführer?«
»Ihr Eid als deutscher Soldat, den Sie Führer und Reich geleistet haben. Sie wissen noch, wie er lautet?« »Selbstverständlich, Reichsführer.«
Himmler blickte auf, sein Gesicht war kalt und rätselhaft. »Wiederholen Sie ihn.«
Radl kannte die Worte gut, Worte, die jeder Deutsche in Uniform, vom Gefreiten bis zum Feldmarschall, schwören mußte. Er sagte: »Ich schwöre bei Gott diesen heiligen Eid, daß ich dem Führer des deutschen Reiches und Volkes Adolf Hitler, dem obersten Befehlshaber der Wehrmacht, unbedingten Gehorsam leisten und als tapferer Soldat bereit sein will, jederzeit für diesen Eid mein Leben einzusetzen.« Die Augenhöhle brannte wieder wie Feuer, die tote Hand schmerzte. Himmler starrte ihn durch den Kneifer eisig an und nickte dann zufrieden. »Ausgezeichnet, Oberst Radl. Und merken Sie sich eins: Mißerfolg ist ein Zeichen von Schwäche.«
Er beugte den Kopf wieder über seine Schreibarbeit, und Radl riß die Tür auf und ging mit weichen Knien hinaus.
Er hatte jetzt keine Lust mehr, in seine Wohnung zu gehen. Statt dessen ließ er sich von Rossmann am Tirpitz-Ufer absetzen, ging hinauf in sein Büro und legte sich auf das schmale Feldbett. Aber er schlief nicht viel. Sooft er die Augen schloß, sah er den Kneifer, den kalten Blick, hörte die ruhige, sachliche Stimme.
Eines stand fest - jedenfalls war er zu diesem Schluß gekommen, als er um fünf Uhr früh endlich kapitulierte und nach der Courvoisier-Flasche langte: Er mußte diese Sache durchstehen, nicht um seinetwillen, sondern wegen Trudi und der Kinder. Gestapo-Überwachung war für die meisten Leute schon schlimm genug. »Aber mich«, sagte er, als er das Licht wieder ausmachte, »mich hätte Himmler persönlich auf dem Kieker.«
Danach schlief er, bis Hofer ihn um acht Uhr mit Kaffee und frischen Brötchen weckte. Radl stand auf, ging hinüber zum Fenster und aß im Stehen ein Brötchen. Der Morgen war grau, und es regnete stark. »War es ein schwerer Angriff, Hofer?«
»Nicht besonders. Acht Lancasters sollen abgeschossen worden sein.« »Wenn Sie in die Innentasche meines Waffenrocks greifen, finden Sie einen Umschlag«, sagte Radl. »Lesen Sie das Schreiben, das darinsteckt.« Er wartete, blickte hinaus in den Regen, und nach einiger Zeit drehte er sich um. Hofer starrte offensichtlich erschüttert auf das Schreiben. »Aber, was soll das bedeuten, Herr Oberst?«
»Unternehmen Churchill. Wir machen weiter. Der Führer will es. Hat mir Himmler persönlich gestern abend verpaßt.« »Und der Admiral, Herr Oberst?« »Soll nichts davon erfahren.«
Hofer starrte ihn in ehrlicher Ratlosigkeit an, das Blatt hielt er noch immer in der Hand. Radl nahm ihm das Schreiben ab und hielt es hoch. »Wir sind kleine Fische, Sie und ich, und in einem sehr großen Netz gefangen. Wir müssen sehen, wie wir durchkommen. Diese Weisung ist alles, was wir brauchen. Befehl vom Führer persönlich. Verstehen Sie?« »Ich glaube schon.« »Und
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