Der Adler ist gelandet
Dienstgraden.«
Er setzte den Kneifer wieder auf und blickte zu Radl hoch. »Sie sehen also«, fuhr Himmler fort, »ich habe allen Grund, überzeugt zu sein, daß Admiral Canaris sich gegen Ihren Plan ausgesprochen hat.«
Radl starrte ihn sprachlos an. Das Blut gefror ihm in den Adern. Himmler sagte freundlich: »Es würde nicht zu seiner allgemeinen Zielsetzung passen, und diese Zielsetzung ist nicht der Sieg des deutschen Reichs in diesem Krieg, das dürfen Sie mir glauben.«
Der Chef der Abwehr sollte gegen den Staat arbeiten? Ein haarsträubender Gedanke. Aber dann erinnerte Radl sich an die beißenden Äußerungen des Admirals. Die abschätzigen Bemerkungen über die Spitzen von Partei und Staat, gelegentlich sogar über den Führer selbst. An seine Reaktion vom heutigen Abend. Wir haben den Krieg bereits verloren. Und das vom Chef der Abwehr.
Himmler drückte auf den Summer, und Rossmann trat ein. »Ich muß ein wichtiges Telefongespräch führen. Kümmern Sie sich noch zehn Minuten um den Herrn Oberst.«
Als Himmler Radl wieder in das Büro rufen ließ, saß der Reichsführer an seinem Arbeitstisch und schrieb eifrig in eine Akte. Er blickte auf und sagte: »Dieses Churchill-Projekt. Ich möchte, daß es ausgeführt wird.« »Aber der Herr Admiral möchte es nicht.«
»Herr Oberst, Sie haben doch weitgehende Entscheidungsfreiheit, nicht wahr? Eine eigene Dienststelle? Sie reisen viel: München, Paris, Antwerpen, das alles innerhalb der letzten vierzehn Tage.« Himmler zuckte die Achseln. »Ich sehe nicht ein, warum Sie es nicht bewerkstelligen sollten, ohne daß der Admiral erfährt, was vorgeht. Die notwendigen Schritte könnten größtenteils im Zusammenhang mit anderweitigen Obliegenheiten erfolgen.«
»Aber warum, Reichsführer, warum muß unbedingt in dieser Weise vorgegangen werden?«
»Erstens, weil ich glaube, daß der Admiral diese Sache völlig falsch einschätzt. Ihr Plan hier könnte durchaus funktionieren, wenn alles klappt, wie vorgesehen; genau wie Skorzenys Gran-Sasso-Unternehmen. Und wenn es glückt, wenn Churchill entweder getötet oder lebend entführt wird, wozu ich bemerken möchte, daß ich persönlich ihn lieber tot als lebendig sähe, dann wäre das eine Weltsensation. Ein noch nie dagewesenes Husarenstück.«
»Das unterblieben wäre, wenn der Admiral seinen Kopf durchgesetzt hätte«, sagte Radl. »Ich verstehe. Ein weiterer Nagel in seinen Sarg.« »Wollen Sie vielleicht leugnen, daß ihm in diesem Fall nur recht geschähe?«
»Da bin ich überfragt.«
Sirenengeheul ertönte, Himmler stand auf, trat ans Fenster und sah durch einen Spalt im Verdunkelungsvorhang hinaus. In der Ferne hörte man Flugzeuggebrumm.
»Da kommen sie wieder.« Er kehrte an seinen Schreibtisch zurück. »Nacht für Nacht versuchen Sie, das Reich mit ihrem Bombenterror zu zermürben. Aber wie denken Sie über die anderen, Herr Oberst? Die Leute in unseren eigenen Reihen, die dem Feind in die Hände arbeiten? Finden Sie, daß sie ungestraft davonkommen sollten? Wäre Ihnen das recht, Radl, Ihnen, einem ehrenhaften deutschen Offizier?« »Aber, bedenken Sie, Reichsführer, in welche unmögliche Situation ich gerate«, sagte Radl. »Ich habe mit dem Herrn Admiral stets im besten Einverständnis gearbeitet.« Zu spät fiel ihm ein, daß dieses Argument unter den gegebenen Umständen kaum angebracht war, und er fügte hastig hinzu: »Natürlich steht meine persönliche Loyalität hier nicht zur Debatte, aber welche Befugnis hätte ich, ein solches Projekt zu verwirklichen?«
Himmler nahm einen dicken Umschlag aus der Schublade. Er öffnete ihn und zog ein Schreiben heraus, das er Radl wortlos reichte. Der Briefkopf zeigte den Hoheitsadler mit dem Hakenkreuz.
DER FÜHRER UND REICHSKANZLER DES GROSSDEUTSCHEN REICHES
Oberst Max Radl handelt nach meinem unmittelbaren und persönlichen Befehl in einer für das Reich höchst wichtigen Angelegenheit. Er ist ausschließlich mir verantwortlich. Alle Militär- und Zivilpersonen haben ihm ohne Ansehen ihres Ranges in jeder von ihm geforderten Weise behilflich zu sein.
Adolf Hitler
Radl war perplex. Noch nie hatte er ein derartiges Dokument in Händen gehalten. Dieser Schlüssel würde ihm jede Tür im Reich und den eroberten Gebieten öffnen, kein Ding wäre mehr unmöglich. Ein Schauder überlief ihn, und nie gekannte Erregung ergriff von ihm Besitz. »Wie Sie sehen, würde jeder, der sich dieser Weisung nicht fügte, es mit dem Führer persönlich zu tun
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