Der Adler ist gelandet
sagte er. »Aber da ist nichts zu machen, und auch die Vorhersage ist miserabel. Keine Aussicht, daß man vor dem Abend starten kann. Haben Sie so lange Zeit?« Radl schüttelte den Kopf. »Ich muß heute abend in Paris sein, und das kann ich nur, wenn ich die Maschine um elf ab Jersey erwische, damit ich in der Bretagne meinen Anschluß kriege. Was könnten Sie mir sonst noch anbieten?« »Ich könnte Sie auf einem S-Boot hinüberbringen lassen, wenn Sie unbedingt weg wollen«, erwiderte Neuhoff. »Ein ziemlich ausgefallenes Unternehmen, ich warne Sie, und auch nicht ungefährlich. Die Royal Navy macht uns in diesem Abschnitt mehr zu schaffen als die Air Force. Und Sie müßten unverzüglich starten, wenn Sie noch rechtzeitig in St. Helier eintreffen wollen.«
»Ausgezeichnet«, sagte Radl. »Bitte veranlassen Sie sofort alles Nötige, ich werde inzwischen Devlin heraustrommeln.«
Neuhoff fuhr sie persönlich kurz nach sieben Uhr in seinem Dienstwagen zum Hafen hinunter. Devlin kauerte im Fond und zeigte sämtliche Symptome eines monumentalen Katers. Das S-Boot wartete am unteren Landesteg. Als sie die Stufen hinuntergingen, sahen sie Steiner in Matrosenstiefeln und Bootsmannsjacke an der Reling lehnen und mit einem bärtigen jungen Leutnant zur See in schwerem Pullover und salzfleckiger Mütze sprechen.
Er wandte sich um und begrüßte sie. »Hübscher Morgen für Ihre Fahrt. Ich habe Leutnant König soeben beigebracht, welche kostbare Fracht er befördert.«
Der Leutnant salutierte. »Herr Oberst.«
Devlin stand da, ein Bild des Elends, die Hände tief in den Taschen vergraben. »Nicht ganz auf dem Damm heute?« erkundigte sich Steiner. Devlin antwortete krächzend mit einem Bibelzitat: »Der Wein ist ein Spötter, der Rauschtrank ist ein Zerstörer.«
Steiner sagte: »Demnach haben Sie hierfür keine Verwendung?« Er hielt eine Flasche hoch. »Brandt hat noch eine Flasche Bushmills entdeckt.« Devlin entriß sie ihm sofort. »Ich muß mich opfern, damit kein anderer sich so zurichtet, wie ich mich zugerichtet habe.« Er schüttelte Steiner die Hand. »Hoffentlich bin ich wieder obenauf, wenn Sie runter kommen.« Er kletterte unsicher über die Reling und setzte sich ins Heck. Radl verabschiedete sich von Neuhoff und wandte sich dann an Steiner. »Sie werden bald von mir hören. Und was die andere Sache betrifft, so werde ich mein möglichstes tun.«
Steiner sagte nichts. Er streckte nicht einmal die Hand aus, und Radl zögerte kurz. Dann stieg er ins Boot. König rief knappe Befehle. Die Leinen wurden losgeworfen, und das SBoot glitt hinaus in den Nebel.
Sie umrundeten das Ende der Mole und gingen auf Fahrt. Radl musterte interessiert seine Umgebung. Die Besatzung war ein recht rauher Haufen, viele mit Bärten, alle in Ölzeug oder dicken Fischerpullovern, Köperhosen und Seestiefeln. Mit Angehörigen der Kriegsmarine hatten sie wenig Ähnlichkeit, und das Boot selbst glich, als er es sich jetzt genauer ansah, mit seinem Kranz bizarr geformter Antennen, keinem anderen S-Boot, das er je gesehen hatte.
Als er zur Brücke ging, sah er König über den Kartentisch gebeugt und am Ruder einen breitschultrigen, schwarzbärtigen Seemann in einer verwaschenen Bootsmannsjacke mit den Rangabzeichen eines Oberbootsmannsmaats. Zwischen seinen Zähnen steckte eine Zigarre, ein weiteres, nach Radls Dafürhalten nicht unbedingt vorschriftsmäßiges Detail. König grüßte leger. »Ah, da sind Sie ja, Herr Oberst. Ist alles in Ordnung?«
»Hoffentlich«, sagte Radl und beugte sich über den Kartentisch. »Wie weit ist es?«
»Ungefähr achtzig Meilen.« »Werden Sie uns rechtzeitig hinbringen?«
König sah auf die Uhr. »Schätze, daß wir kurz vor zehn in St. Helier anlegen, vorausgesetzt, daß uns die Royal Navy keinen Strich durch die Rechnung macht.«
Radl blickte aus dem Fenster. »Ziehen Ihre Leute sich immer wie Fischer an, Leutnant König? Soviel ich weiß, sind die Schnellboote der Stolz der Kriegsmarine.«
König grinste. »Aber das hier ist kein S-Boot, Herr Oberst. Es läuft nur unter dieser Bezeichnung.«
»Was, zum Teufel, ist es dann?« fragte Radl verblüfft. »Tja, das wissen wir selber nicht ganz genau, was, Müller?« Der Oberbootsmannsmaat feixte, und König sagte: »Ein MotorKanonenboot, wie Sie sehen, Herr Oberst, in England für die Türken gebaut und von der Royal Navy requiriert.« »Und wie ging's dann weiter?«
»Bei Ebbe auf einer Sandbank vor Morlaix in der Bretagne auf Grund gelaufen.
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