Der Adler ist gelandet
Der Kapitän konnte es nicht versenken, ehe er von Bord ging. Also versuchte er es mit einer Zeitzünderladung.« »Und?«
»Die Ladung ging nicht hoch, und ehe er nochmals an Bord gehen konnte, tauchte ein S-Boot auf und nahm ihn mitsamt seiner Mannschaft gefangen.«
»Der arme Teufel«, sagte Radl. »Er könnte mir beinahe leid tun.« »Aber das Beste kommt erst noch, Herr Oberst«, erwiderte König. »Da die letzte Funkmeldung des Kapitäns lautete, er werde das Schiff verlassen und in die Luft sprengen, nahm die britische Admiralität natürlich an, daß das auch geschehen sei.«
»Und so können Sie jetzt nach Belieben und ganz ungeschoren auf einem waschechten Kanonenboot der Royal Navy zwischen den Kanalinseln kreuzen? Jetzt begreife ich.«
»Genau. Sie blickten vorhin zum Flaggenstock und waren zweifellos erstaunt, daß wir die weiße Kriegsflagge der Royal Navy führen.« »Die Sie vermutlich schon mehrmals gerettet hat?«
»Schon oft. Wir hissen den weißen Wimpel, geben den Flaggengruß und weiter geht's. Klappt immer.«
Radl spürte, wie die schon wohlbekannte Erregung wiederum von ihm Besitz ergriff. »Sagen Sie mir alles über das Boot«, sagte er. »Wie schnell ist es?«
»Spitze war ursprünglich fünfundzwanzig Knoten, aber in der Marinewerft von Brest haben sie es auf dreißig frisiert. Noch immer kein S-Boot, aber schon recht nett. Vierzig Meter Länge, und an Bestückung einen Sechspfünder, einen Zweipfünder, zwei O5-Zwillings-MG und eine Zwanzig-MillimeterZwillingsflak.«
»Sehr gut«, unterbrach Radl. »Wirklich ein gutes Boot. Und die Reichweite?«
»Tausend Meilen bei einundzwanzig Knoten. Natürlich verbraucht es mit den Schalldämpfern viel mehr Sprit.«
»Und was ist dieses Zeug da?« Radl wies auf das Gewirr
der Antennen. »Einige dienen zur Navigation. Die übrigen sind Sprechfunkantennen. Eine Mikrowellen-Funkanlage für Gegensprechverbindungen zwischen einem fahrenden Schiff und einem an Land befindlichen Posten. Unvergleichbar besser als alles, was wir bisher haben. Wird offenbar von Agenten benutzt, um die einfahrenden Schiffe an Land zu lotsen. Hab's im Marinehauptquartier in Jersey schon angepriesen wie sauer Bier. Kein Mensch interessiert sich dafür. Kein Wunder, daß wir...« Er fing sich gerade noch rechtzeitig. Radl warf ihm einen kurzen Blick zu und sagte ruhig: »Über welche Reichweite verfügt dieses tolle Spielzeug?«
»Bis zu fünfzehn Meilen an einem guten Tag; für unbedingte Zuverlässigkeit würde ich nur die Hälfte ansetzen, aber dann arbeitet es so gut wie ein Telefon.«
Radl stand lange Zeit da und überdachte das Ganze, dann nickte er abrupt. »Danke, König«, sagte er und ging hinaus.
Er fand Devlin in Königs Kajüte flach auf dem Rücken liegend, die Augen geschlossen, die Hände über der Flasche Bushmills gefaltet. Radls Miene wurde unwirsch und auch ein wenig besorgt, aber dann sah er, daß die Flasche noch nicht geöffnet war.
»Keine Bange, Oberst«, sagte Devlin, ohne die Augen zu öffnen. »Noch hat mich der Teufel nicht am Wickel.« »Haben Sie meine Aktentasche hier?«
Devlin wälzte sich zur Seite und zerrte die Aktentasche unter sich hervor. »Schütze sie mit meinem Leben.«
»Gut so.« Radl wandte sich wieder zur Tür. »Im Ruderhaus ist ein Funkdings, das Sie sich anschauen sollten, ehe wir landen.« »Funkdings?« knurrte Devlin. »Ist ja egal«, sagte Radl. »Ich erklär's Ihnen später.«
Als er wieder auf die Brücke kam, saß König am Kartentisch und trank Kaffee aus einem Blechbecher. Müller hatte noch immer das Ruder. König stand sichtlich überrascht auf, und Radl sagte: »Der Marine-Kommandant in Jersey... wer ist das?« »Kapitän zur See Hans Olbricht.«
»Mhm. Können Sie St. Helier eine halbe Stunde vor der von Ihnen errechneten Zeit erreichen?«
König warf Müller einen zweifelnden Blick zu. »Das kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen, Herr Oberst. Wir könnten es versuchen. Ist es wichtig?«
»Äußerst. Ich muß vor dem Weiterflug noch Olbricht aufsuchen und Ihre Versetzung veranlassen.«
König blickte ihn erstaunt an. »Versetzung, Herr Oberst? Unter welchem Befehl?«
»Unter meinem Befehl.« Radl erklärte ihm kurz die Lage, dann wies er mit dem Kopf auf Müller. »Kann man diesem Bullen da vertrauen?« »Auf Tod und Leben, Herr Oberst.«
»Gut«, sagte Radl. »Sie werden ein paar Tage in Jersey bleiben, bis der Befehl durch ist, dann verlegen Sie nach Boulogne, wo Sie meine Instruktionen
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