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Der Afghane

Der Afghane

Titel: Der Afghane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Yusuf.«
    »Sei willkommen, Hamid Yusuf«, sagte der Imam. »Ich sehe, du wagst es, den Turban der Taliban zu tragen. Warst du einer von ihnen?«
    »Seit ich 1995 in Kandahar zu Mullah Omar kam.«
    Ein Dutzend Männer saßen in der mafada, einem schäbigen Schuppen hinter der Moschee. Tee wurde serviert. Martin bemerkte, dass einer der Männer ihn anstarrte. Dann zog der Mann den Imam aufgeregt beiseite und fing hastig an zu tuscheln. Niemals, erklärte er, werde er auch nur im Traum daran denken, sich das Fernsehen mit seinen schmutzigen Bildern anzusehen, aber er sei an einem Geschäft vorbeigekommen, und da habe ein Gerät im Fenster gestanden,
    »Ich bin sicher, das ist der Mann«, zischelte er. »Er ist vor nur drei Tagen aus Kabul entkommen.«
    Martin verstand kein Urdu, aber er wusste, dass die Rede von ihm war. Der Imam mochte alles Westliche und Moderne verabscheuen, doch wie die meisten fand er die verdammenswerten Handys sehr praktisch, auch wenn sie von Nokia im christlichen Finnland hergestellt wurden. Er befahl drei Freunden, den Fremden in ein Gespräch zu verwickeln und ihn nicht gehen zu lassen. Dann zog er sich in sein bescheidenes Quartier zurück und tätigte mehrere Anrufe. Sehr beeindruckt kehrte er zurück.
    Ein Talib der ersten Stunde, durch die Amerikaner seiner Familie und seiner ganzen Sippe beraubt, Befehlshaber der halben Nordfront bei der Yankee-Invasion, Anführer beim Aufbrechen der Waffenkammer in Qala-i-Jangi, fünf Jahre in der amerikanischen Hölle überlebt, den Klauen des Marionettenregimes in Kabul entronnen – dieser Mann war kein Flüchtling, er war ein Held.
    Imam Halabi mochte Pakistani sein, aber die Regierung in Islamabad verabscheute er leidenschaftlich wegen ihrer Zusammenarbeit mit den Amerikanern. Seine ganze Sympathie gehörte al-Qaida. Und gerechtigkeitshalber muss man sagen, dass die fünf Millionen Afghanis, die ihn für den Rest seines Lebens zu einem reichen Mann machen würden, ihn nicht einen Augenblick lang in Versuchung führten.
    Er kehrte in die mafada zurück und winkte den Fremden zu sich.
    »Ich weiß, wer du bist«, flüsterte er. »Du bist derjenige, den sie ›den Afghanen‹ nennen. Bei mir bist du sicher, aber in Gwador nicht. Agenten des ISI sind überall, und auf deinen Kopf ist eine Belohnung ausgesetzt. Wo wohnst du jetzt?«
    »Nirgends. Ich komme gerade aus dem Norden«, sagte Martin.
    »Ich weiß, woher du kommst; man hört es in allen Nachrichten. Du musst hierbleiben, aber nicht lange. Irgendwie musst du Gwador verlassen. Du brauchst Papiere, eine neue Identität, eine sichere Reisemöglichkeit. Vielleicht kenne ich jemanden.«
    Er schickte einen kleinen Jungen aus seiner madrasa zum Hafen. Das Boot, das er suchte, war nicht da. Es kam vierundzwanzig Stunden später. Aber der Junge wartete geduldig am Kai, wo es immer anlegte.
    Faisal bin Selim war in Qatar geboren, Sohn eines armen Fischers in einer Hütte am Ufer eines schlammigen Flüsschens in der Nähe eines Dorfes, aus dem später die betriebsame Hauptstadt Doha werden sollte. Aber das geschah nach der Entdeckung des Öls, dem Zusammenschluss der arabischen Vertragsstaaten zu den Vereinigten Emiraten, dem Abzug der Briten, dem Eintreffen der Amerikaner, und lange bevor das Geld hereinströmte wie eine tosende Flut.
    In seiner Kindheit hatte er nur die Armut gekannt, die automatische Verneigung vor den hochherrschaftlichen weißhäutigen Fremden. Doch von frühester Jugend an war Bin Selim entschlossen gewesen, es in der Welt zu etwas zu bringen. Den Weg dazu suchte er da, wo er sich auskannte: auf dem Meer. Er wurde Deckmatrose auf einem Küstenfrachter, und während sein Schiff von der Insel Masirah und von Salalah in der omanischen Provinz Dhofari zu den Häfen von Kuwait und Bahrain am Ende des Persischen Golfs hinauffuhr, lernte er mit seinem wachen Verstand eine ganze Menge.
    Er lernte, dass es immer jemanden gab, der etwas zu verkaufen hatte und bereit war, es billig zu verkaufen. Und irgendwo gab es auch immer jemanden, der es kaufen und gut dafür bezahlen wollte. Zwischen diesen beiden stand eine Einrichtung namens Zoll. Faisal bin Selim gelangte durch Schmuggel zu Wohlstand.
    Auf seinen Reisen sah er vieles, das er zu bewundern lernte: schöne Kleider und Teppiche, islamische Kunst, wahre Kultur, alte Koranschriften, kostbare Manuskripte und die Schönheit großer Moscheen. Und andere Dinge, die er sah, lernte er zu verachten: reiche Westler, hummerrote Schweinsgesichter in

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