Der Agent - The Invisible
gebraucht. Mit nur drei …«
»Wo bist du?«
Owen atmete tief durch und versuchte, sein Temperament unter Kontrolle zu behalten. Es würde nichts bringen, jetzt seine Wut abzureagieren. »In Faisalabad. Und du?«
Kealey machte sich nicht die Mühe, die Frage zu beantworten. »Kannst du reden?«
Owen musste sich nicht umsehen, er war von Menschen umringt. Er hätte keinen Schritt tun können, ohne jemanden anzurempeln. Während er sich durch die Menge zwängte, um auf der Südseite unter dem Tor hervorzutreten, antwortete er: »Nein, eher nicht.«
»Dann hör einfach zu.« In Kealeys leiser Stimme lag Anspannung, aber auch noch etwas anderes, das Owen nicht genau bestimmen konnte. Vielleicht Verärgerung? Ein Schuldgefühl? Keine der beiden Möglichkeiten schien plausibel … Es musste etwas anderes sein.
»Ich bin irgendwo östlich von Lahore«, sagte Kealey. »Du musst so bald wie möglich herkommen. Wie schnell kannst du hier sein?«
Owen dachte darüber nach, während er an einem Straßenhändler vorbeikam, der Halal-Rind, Hühnerfleisch und Pommes frites verkaufte. Der Stand war durch einen großen, leuchtend blauen Schirm vor dem Regen geschützt. »Ungefähr vierzig Minuten wird’s dauern. Was hast du herausgefunden?«
»Noch nichts, aber es ist nur eine Frage der Zeit.«
Owen blieb stehen. »Ich verstehe nicht. Warum soll ich kommen, wenn du keine …«
»Erkläre ich dir später. Trommel deine Leute zusammen und fahr mit ihnen nach Lahore. So schnell wie möglich.«
»Okay. Wo treffen wir uns?«
»Weiß ich noch nicht … Ich melde mich, wenn mir etwas eingefallen ist. Hast du mit Harper gesprochen?«
Owen konnte die Frage kaum verstehen, weil ein seltsames Hintergrundgeräusch am anderen Ende die Worte übertönte. Für ihn klang das schrille Geräusch, als würde jemand schreien, aber er schob den Gedanken beiseite. Es musste etwas anderes gewesen sein. »Ja, ich habe ihn angerufen. Er ist gar nicht glücklich.«
»Er kann mich mal«, sagte Kealey gereizt. »Ist mir scheißegal, wie’s ihm geht. Wenn ich zurück bin, wird er eine Menge unangenehmer Fragen beantworten müssen. Egal, jetzt musst du erst mal mit deinen Jungs herkommen. Ich rufe bald zurück.«
»Was ist mit Pétain?«
Die Antwort ließ etwas auf sich warten. »Mach dir um sie keine Gedanken«, sagte Kealey schließlich. »Fahrt los. Ich melde mich.«
Owen wollte noch eine Frage stellen, doch die Verbindung war schon tot. Er stieß einen obszönen Fluch aus, der ihm einen vorwurfsvollen Blick des Straßenhändlers eintrug, doch als er sich auf den Rückweg machte, begann sein Zorn bereits zu verrauchen. Stattdessen machte er sich jetzt Sorgen. Als er Wallands Nummer eingab, musste er weiter an das Geräusch denken, das von Kealeys Ende der Verbindung an sein Ohr gedrungen war. Er hatte geglaubt, es sei doch kein Schrei gewesen, aber angesichts von Kealeys seltsamem Tonfall und seiner kurz angebundenen Antwort auf die Frage nach Pétain war er sich nicht mehr so sicher.
Wie auch immer, ihm war klar, dass die Information, die Kealey bekommen hatte - oder bald bekommen würde -, einen hohen Preis gehabt hatte. Fragte sich nur, wie hoch, doch auf diese und etliche andere Fragen würde er nun bald eine Antwort bekommen. Jetzt musste er sich erst mal darum kümmern, so schnell wie möglich mit seinen Männern nach Lahore zu kommen.
Nach dem Ende des Telefonats mit Owen blickte Kealey auf den Mann hinab, den er unter dem Namen Fahim kannte. Er war bleich, seine Augen waren fest geschlossen. Kealey sah, dass er trotz des Regens schwitzte. Es war keine wirklich ernste, aber sehr schmerzhafte Verletzung. Er hatte die Waffe von Pétains Kniekehle weggerissen und Fahim eine Kugel in den Oberschenkel gejagt, um ihn außer Gefecht zu setzen. Die Fleischwunde tat weh, aber die wahren Schmerzen standen ihm noch bevor.
Er hatte es nicht über sich gebracht, auf Marissa Pétain zu schießen. Der Grund war ihm unklar, denn es wäre leicht gewesen, mehr als leicht. Sie bedeutete ihm nichts, während Naomi … alles für ihn war. Er wusste nicht, warum er stattdessen die Waffe auf Fahim gerichtet hatte. Wie hatte er so gegen seine Gefühle handeln können, gegen seinen Instinkt? Es war keine bewusste Entscheidung gewesen, und alles wurde dadurch noch schlimmer, dass er Machado aufs Wort glaubte. Irgendwo in seinem Inneren war ihm bewusst, was er getan hatte und was für Folgen es haben würde. Indem er Pétain verschonte, hatte er Naomi
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