Der Agent - The Invisible
gleichgültig an. »Ich nehme an, die Antwort auf diese Frage kennen Sie bereits«, sagte er ruhig.
Kealey schüttelte frustriert den Kopf, Fahim hatte seinen Bluff durchschaut. Plötzlich sah er vor seinem inneren Auge Naomi, ein Bild vom Vortag. Sie lehnte am Türrahmen des Bades ihres Gästezimmers, die spindeldürren Arme um den mageren Oberkörper geschlungen. Auf ihren Schultern glänzten Wassertropfen, in ihren Augen Tränen.
Er war innerlich hin- und hergerissen, genau wie dann, wenn sie anwesend war. Es war klar, dass sie nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte, aber er konnte sie nicht aufgeben. Javier Machados Tonfall hatte ihm gesagt, was er wissen musste. Es konnte kein Zweifel daran bestehen, dass der Spanier bereit war, seiner Drohung Taten folgen zu lassen, aber er hätte es ohnehin nicht riskieren können, ihn austricksen zu wollen. Wenn es schiefging, würde er zu viel verlieren.
Damit blieb nur eine Alternative.
Seine Beine waren bleischwer, die Füße schienen in dem Kies auf dem Weg zu versinken. Er konnte nicht fassen, wie es zu
dieser Situation gekommen war, selbst in tausend Jahren hätte er die Verbindung nicht gesehen. Wie hätte er darauf kommen sollen, was Machado vorhatte? Er wusste es wirklich nicht. Dass Pétain für die bevorstehende Operation in Kolumbien ausgewählt worden war, unterlag höchster Geheimhaltung. Es war völlig ausgeschlossen, dass er an diese Information herangekommen wäre, doch selbst wenn er sie gehabt hätte, wäre er in Cartagena nicht in der Lage gewesen, Machados wirkliche Absichten zu erraten. Er hätte einfach zu viele Aspekte gleichzeitig im Auge behalten müssen, und seine Aufmerksamkeit galt anderen Dingen, die wichtiger waren als Marissa Pétains Familiengeschichte.
Letzten Endes aber war ihm klar, dass diese Gedanken bedeutungslos waren. Es war sinnlos, sich etwas vorzumachen. Nichts änderte etwas daran, dass ihm einige wichtige Dinge entgangen waren, und nun musste Pétain den Preis für seine Fehler bezahlen.
Als er in dem strömenden Regen zu ihr trat, begann sie zu reden, gespannt darauf wartend, was geschehen war. Dann sah sie die Waffe in seiner Hand. Ihre Blicke trafen sich, und sie musste die Wahrheit ahnen, denn ihr Gesicht wurde kreidebleich, und ihre Knie schienen einzuknicken. Ihre Hand umklammerte den Griff der Tür, und es gelang ihr, sich auf den Beinen zu halten.
»Was soll das?« Ihre Stimme verriet einen Funken Hoffnung, doch tatsächlich wusste sie bereits, was passieren würde. »Warum hat er Ihnen die Pistole gegeben?«
»Ich muss etwas tun«, sagte er hölzern. »Jetzt erscheint es unverständlich, aber im Laufe der Zeit …«
»Warum hat er Ihnen die Waffe gegeben?« Ihre Stimme wurde mit jedem Wort lauter, klang fast hysterisch. Sie wollte
Zeit gewinnen, so viel war klar, wollte Erklärungen, selbst in diesem letzten Stadium des Spiels. »Wer hat angerufen?«
Der Himmel wurde von einem grellen Blitz zerrissen, und einen Sekundenbruchteil darauf folgte der Donner, so laut, als würde bei hoher Geschwindigkeit ein Reifen platzen. Der Lärm verschluckte einen Teil von seinen Worten, aber sie waren ohnehin sinnlos und würden nichts mehr ändern. Ihm wurde ganz übel, weil er überhaupt sprach, doch irgendetwas musste er sagen, und ihm fiel nichts Angemessenes ein.
»Es muss sein. Ich weiß, dass Sie es nicht verstehen, aber ich komme nicht darum herum. Glauben Sie mir, ich habe versucht …«
»Was soll das heißen, versucht ?«, schrie sie. »Wir reden von meinem Leben! Wer war am Telefon? Wer hat gesagt, dass Sie es tun sollen?«
»Ich kann nicht …«
»Wer hat angerufen?« Tränen liefen über ihr Gesicht, als sie verzweifelt versuchte, sich von der Fessel zu befreien. Sie hatte keine Chance, gab aber nicht auf. »Spucken Sie’s aus! Warum soll ich sterben? Was habe ich getan?«
Kealey antwortete nicht sofort. Es war klar, dass sie ihn nicht richtig verstanden hatte. Er hatte nicht vor, sie umzubringen, doch wenn sie glaubte, dass er es tun würde, machte das den nächsten Akt vielleicht einfacher. »Augen schließen und umdrehen«, sagte er schließlich. »Gesicht zur Tür. Es wird nicht wehtun, ich verspreche es.«
»Sie können das nicht tun«, stöhnte sie. Auf ihren Wangen vermischten sich die Tränen mit dem Regen. Sie war am Ende ihrer Kräfte und hatte nur noch die irrationale Hoffung, dass in letzter Minute ein Wunder geschehen würde. »Nein, Sie können es nicht tun.«
»Ich muss …« Die Worte
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