Der Agent - The Invisible
Minuten, nachdem er sie zum ersten Mal auf der Straße gesehen hatte, stand seine Meinung fest, aber sie waren am Ball geblieben, um ganz sicherzugehen. Am letzten Abend um zehn hatte er sie von der Liste gestrichen, und sie waren losgefahren, um mit dem Tierarzt weiterzumachen.
In Faisalabad waren sie noch längst keine vierundzwanzig Stunden, doch Owen war sicher, dass die zweite Person auf der Liste so unschuldig war wie die erste. Der Tierarzt hatte sein Haus um sechs Uhr morgens verlassen und zu Fuß die anderthalb Kilometer bis zu seiner Praxis südlich des Flusses zurückgelegt. Seitdem hatte er das Gebäude nicht mehr verlassen, und die beiden Männer, die sein Privathaus beobachteten - Husain
Manik und Mark Walland - wussten von nichts Ungewöhnlichem zu berichten. Als vor einer Stunde der Sturm begann, hatte seine Frau hinter dem Haus die Wäsche von der Leine genommen, doch ansonsten war schlicht gar nichts passiert.
Owen lehnte sich zurück und seufzte müde. Er saß in einem gut besuchten Café am Fenster und blickte auf die Straße. Durch die regenüberströmte Scheibe hatte er einen direkten Blick auf die Vorderseite des einstöckigen Hauses, in dem sich die Praxis des Tierarztes befand. Etliche Leute betraten oder verließen das Haus, doch nichts daran wirkte verdächtig, und er hatte nichts gesehen, das darauf hinwies, dass der Mann seinerseits Beobachter vor Ort hatte. Er war sich ziemlich sicher, dass der Tierarzt ganz normal arbeitete, wie jeden Tag, und das hieß, dass sie nur wertvolle Zeit vergeudeten.
Wütend schüttelte er den Kopf und griff nach der vor ihm stehenden Orangina-Flasche. Sie waren schon zu lange hier, es wurde Zeit, dass sie sich auf den Weg machten. Er bahnte sich seinen Weg zum Ausgang, bog nach rechts und ging in östliche Richtung, sich durch die dichte Menschenmenge schlängelnd. Dabei dachte er an die Liste mit Mengals potenziellen Verbündeten. Soeben hatte er den zweiten Namen gestrichen, womit zwei Personen übrig blieben. Er hatte keine große Hoffnung, dass sie bei einem von ihnen Erfolg haben würden.
Alle vier hatten erwiesenermaßen Beziehungen zu Benazir Mengal, aber trotzdem konnte er sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie auf der falschen Spur waren. Die nächsten beiden Tage würden ihm recht geben, er war überzeugt davon. Doch dies war eine Situation, in der er sich lieber geirrt hätte. Fitzgeralds Entführung lag vier Tage zurück, und allmählich wurde die Zeit knapp. Mit jedem verstreichenden Tag wurde sie für ihre Entführer zu einem größeren Risiko. Irgendwann
würden sie es merken und beschließen, sich ihrer zu entledigen. Wenn sie es nicht schon getan hatten. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als es zu verhindern, aber er brauchte einen Ausgangspunkt, eine Spur, mit der sich etwas anfangen ließ. Sonst war er genauso hilflos wie alle anderen auch.
Dass sie bisher in Pakistan nichts erreicht hatten, war nur ein Grund für seine düstere Stimmung. Eigentlich hätte sich Kealey schon am Vortag melden sollen, aber er hatte immer noch keinen Kontakt aufgenommen. Über Jonathan Harper hatte er erfahren, dass Kealey in Spanien einem direkten Befehl zuwidergehandelt hatte, weil er statt Kharmai Pétain mitgenommen hatte. Nach der Landung in Pakistan hatte er seine Befehle gleich wieder ignoriert - wenn er überhaupt hier gelandet war. Nichts davon überraschte ihn, denn er hatte oft genug mit Kealey zusammengearbeitet, um zu wissen, dass er einen ärgerlichen Hang zu Alleingängen hatte. In der gegenwärtigen Situation war ein solches Verhalten völlig inakzeptabel. Wenn so viel auf dem Spiel stand, ging es nicht an, dass Kealey wie üblich nach eigenem Gutdünken handelte.
Als er das Qaisery-Tor erreichte, den Hauptzugang zu den acht Märkten, war er stinksauer auf Kealey. Wegen des heftigen Regens hatten etliche Menschen unter dem Torbogen Zuflucht gesucht, und die feuchte Luft roch nach billigem Parfüm und Zigarettenrauch. Satzfetzen hallten von den mit Fresken verzierten Wänden wider, von dem warmen, nassen Pflaster stieg Dampf auf. Er fragte sich gerade, ob er die Position mit Massi tauschen sollte, der die Rückseite des Hauses beobachtete, in dem der Tierarzt seine Praxis hatte, als das Mobiltelefon in seiner rechten Tasche vibrierte. Er zog es heraus und hielt es ans Ohr. »Ja?«
»Bist du’s, Paul?«
»Kealey?«, fragte Owen, krampfhaft das Handy umklammernd. »Wo zum Teufel hast du rumgehangen? Ich hätte dich gestern
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