Der Agent - The Invisible
Alles in allem hatte Brynn Fitzgerald Riesenglück gehabt, besonders verglichen mit den Menschen, die alles dafür gegeben und so viel dafür erlitten hatten, sie sicher nach Hause zu bringen.
Harper ließ sich auf ein Sofa fallen und rieb sich die Augen. Er war erschöpft, und die Ereignisse von Sialkot lasteten noch immer schwer auf ihm. Wenn man alles in Betracht zog, bestand eigentlich Anlass zur Zufriedenheit, und Andrews sah es so. Die CIA hatte eine wichtige Rolle gespielt bei Fitzgeralds Befreiung. Hätte Ryan Kealey nicht Machado vertraut - was in anderer Hinsicht verhängnisvoll gewesen war -, würden sie in Pakistan wahrscheinlich immer noch falsche Spuren verfolgen. Doch es war anders gekommen. Sie hatten es geschafft, Fitzgerald zu finden und zu befreien, und aufgrund dieses Erfolges wurden sie mit Lob überschüttet.
Warum fühlst du dich trotzdem so, als hätten wir versagt?, fragte er sich. Während der letzten achtzehn Stunden hatte er ständig darüber nachdenken müssen, doch er war immer noch nicht auf eine befriedigende Antwort gestoßen. In diesem Moment öffnete sich die Tür, die auf den Rosengarten ging, und
der Präsident trat ein, gefolgt von Robert Andrews, Kenneth Bale und Stan Chavis. Als Harper müde aufstand, fiel ihm zuerst bei allen die freudige und zufriedene Miene auf. Sofort wusste er, dass die Pressekonferenz ein voller Erfolg gewesen sein musste, doch das war nicht weiter überraschend; bei guten Neuigkeiten waren Journalisten immer gnädig. Brenneman hatte ihn persönlich gefragt, ob er nicht daran teilnehmen wolle, aber er hatte kein Interesse daran, sich von der Pressemeute feiern zu lassen. Lob seitens der Medien bekam man als exponierter Repräsentant der CIA eher selten, doch das machte solche Veranstaltungen nicht verlockender, besonders dann nicht, wenn der Erfolg so teuer erkauft worden war.
Der Präsident kam auf ihn zu und begrüßte ihn mit einem breiten Lächeln. In dem dunkelblauen Anzug mit der blassgelben Krawatte sah er tadellos aus, doch das war nichts Ungewöhnliches und hatte nichts mit den vielen Kameras zu tun. Vom mächtigsten Mann der freien Welt wurde erwartet, dass er immer präsentabel aussah. Aber die anderen hatten sich offensichtlich richtig Mühe gegeben, denn sie waren deutlich eleganter gekleidet als üblich. Sogar Chavis, der sonst mit seinem zerknitterten Hemd und dem klobigen Schuhwerk eher einem gehetzten Buchhalter glich, hatte die Chance genutzt, sich vor der Washingtoner Presse im besten Licht zu präsentieren. Er trug einen anthrazitfarbenen Einreiher und eine gemusterte dunkelblaue Krawatte, die nur unmerklich zerknittert war. Wenigstens dieses eine Mal sah er halbwegs vorzeigbar aus. Bale und Andrews trugen die obligatorischen dunklen Anzüge.
»Danke, dass Sie gekommen sind«, sagte Brenneman zu Harper, als hätte er auch ablehnen können. Sie schüttelten sich kurz die Hand, wobei die Begeisterung auf Brennemans Seite
lag. »Schade, dass Sie keine Lust hatten, an der Pressekonferenz teilzunehmen. Heute gibt es viele erleichterte Menschen, und das ist auch Ihr Verdienst. Sie hätten kommen sollen … Sie haben die Anerkennung verdient.«
»Danke, Sir«, sagte Harper in Ermangelung einer besseren Antwort. Er empfand gegensätzliche Gefühle, aber dem Präsidenten widersprach man nicht, bestimmt nicht im Oval Office.
»Sollen wir uns nicht setzen?«, fragte Brenneman. Harper ließ sich wieder auf das Sofa fallen, die anderen nahmen ihre üblichen Plätze ein, Brenneman mit dem Rücken zum Kamin. Ein Steward der Navy brachte ein Tablett mit Kaffee, stellte es ab und verschwand wortlos.
»Also, lassen Sie uns mit der naheliegenden Frage beginnen«, sagte Brenneman. Harper registrierte, dass seine Miene nun ernüchtert wirkte, was kein Wunder war, denn er wusste, welche Frage der Präsident stellen würde. »Wie geht es Ryan?«
Jetzt nennt er ihn Ryan, dachte Harper. Bisher hatte der Präsident immer den Nachnamen benutzt - bei den seltenen Gelegenheiten, wo er Kealey überhaupt namentlich erwähnte.
Harper räusperte sich. »Es steht auf Messers Schneide, Sir.« Er spürte ihre Erleichterung und wusste, was sie dachten - wenigstens lebt er noch. Verübeln konnte er es ihnen nicht, er hatte genauso empfunden, als er vor einer guten halben Stunde zum letzten Mal informiert worden war. »Vielleicht kommt er durch, vielleicht nicht … Man kann es nicht mit Sicherheit sagen, und wahrscheinlich wird die Zitterpartie noch stundenlang
Weitere Kostenlose Bücher