Der Agent - The Invisible
klar«, antwortete Harper. »Aber sie weiß, dass ihre Mutter befragt wird, und sie ist eine intelligente Frau … Ich bin sicher, dass sie dahinterkommen wird. Wahrscheinlich weiß sie es schon.«
»Wo ist sie im Moment?«, fragte Brenneman.
»Auf dem Weg in die Vereinigten Staaten«, sagte Harper. Er fügte nicht hinzu, dass Pétain sofort verlangt hatte, Kealey zu sehen, als sie von seinem Zustand hörte. Selbst am Telefon war Harper nicht entgangen, dass echte Anteilnahme in ihrer Stimme lag, aber er hatte ihren Wunsch abgelehnt, worauf sie ihn zu seiner Überraschung mit einem Schwall verbitterter, wütender Beschimpfungen bedachte. Aber sie war eine vielversprechende junge Agentin mit allen erforderlichen Qualifikationen, und weil sie an der erfolgreichen Operation in Pakistan teilgenommen hatte, würde sie bald einen amerikanischen Pass bekommen. Er konnte sie nicht wegen eines kleinen verbalen Ausrutschers feuern und wollte es auch nicht.
Für den Rest des Treffens ging es vornehmlich um Benazir Mengal, der gegenwärtig - was nur wenige wussten - auf dem Luftstützpunkt Bagram in Afghanistan inhaftiert war. Der Präsident hatte bereits Pervez Musharraf angerufen, um ihn persönlich über die seitens der Pakistaner nicht genehmigte Operation zu informieren. Normalerweise wäre das Telefonat angesichts einer so heiklen Affäre nie zustande gekommen; in der Regel wurden Diplomaten als Puffer eingesetzt, um die politischen Konsequenzen auf beiden Seiten zu begrenzen. Aber angesichts der Ereignisse von Sialkot konnte der pakistanische Präsident in diesem Fall nicht viel sagen. Tatsache war, dass die amerikanische Außenministerin in seinem Land entführt
worden war und dass er praktisch nichts dazu beigetragen hatte, sie zu finden.
Trotzdem hatte sich Brenneman im Namen der Diplomatie versöhnlich gezeigt, wobei er jedoch die Interessen der Vereinigten Staaten nicht aus dem Auge verlor. Nachdem Musharraf einer schnellen Auslieferung Mengals zugestimmt hatte, wurden die Medien informiert, die Befreiungsaktion sei eine gemeinsame Unternehmung amerikanischer und pakistanischer Kräfte gewesen. Für dieses Zugeständnis hatte Musharraf zugesagt, das bevorstehende Waffengeschäft zwischen Israel und Indien nicht mehr lautstark zu kritisieren und seine Truppen in Kaschmir hinter die Waffenstillstandslinie zurückzuziehen. Harper hielt es für eine seltsame Fügung, dass ausgerechnet Fitzgeralds Entführung und Befreiung mit ziemlicher Sicherheit dazu führen würden, dass die drohende Eskalation des Konflikts in Kaschmir schneller verhindert wurde, als es sonst möglich gewesen wäre, aber er behielt den Gedanken für sich.
Als das Treffen zwanzig Minute später endete, beglückwünschten sich alle beim Abschied noch einmal gegenseitig, und dann verließen die Gäste das Oval Office. Als Harper zur Tür ging, packte der Präsident seinen Arm und hielt ihn zurück.
»Ich wollte Ihnen nur noch einmal danken für Ihre harte Arbeit. Sie haben viel dazu beigetragen, dass die Operation ein Erfolg wurde, und ich bin Ihnen sehr dankbar. Dabei spreche ich bestimmt im Namen des ganzen Landes. Ich bin sicher, dass Außenministerin Fitzgerald sich persönlich bei Ihnen bedanken wird, wenn es ihr Zustand wieder erlaubt.«
Harper nickte. Er glaubte, dass der Präsident ihn aus einem anderen Grund beiseitegenommen hatte, denn bedankt hatte
er sich bereits, und kurz darauf wurde seine Vermutung bestätigt.
»In Sachen Kealey …«, begann Brenneman. »Sie kennen ihn schon lange, oder?«
»Ja, Sir.« Harper fragte sich, worauf er hinauswollte. »Seit fast zehn Jahren.«
»Er hat früher schon schwere Verletzungen überlebt, nicht wahr?«
»Ja. Aber er ist nicht unverwundbar, und so schlimm war es wahrscheinlich noch nie. Trotzdem glaube ich, dass er es schaffen könnte.«
»Und wenn er überlebt?« Brennemans Interesse wirkte aufrichtig. »Was wird er Ihrer Meinung nach tun? Nach der Rekonvaleszenz, meine ich. Haben Sie darüber nachgedacht?«
Harper ließ sich die Frage durch den Kopf gehen. Ihm war klar, was Brenneman wirklich interessierte, und es hatte nichts damit zu tun, ob Kealey wieder für die CIA arbeiten würde. Das war völlig undenkbar. Im Gegensatz zur allgemein verbreiteten Meinung gab es auch bei der operativen Abteilung des amerikanischen Auslandsgeheimdienstes gewisse Regeln, die festlegten, was akzeptabel war und was nicht. Kein Agent konnte völlig nach eigenem Gutdünken handeln, und er konnte bestimmt
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