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der Agentenschreck

der Agentenschreck

Titel: der Agentenschreck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman
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angehalten hatten, um die goldenen Zwiebeltürme aus dem Märchenbuch zu
    bewundern, die in der Sonne glänzten.
    Auf der Paßhöhe stellten sie den Wagen auf den breiten, ebenen Parkplatz. Mrs. Pollifax stieg aus und horchte auf den Wind. »Das rauscht wie die Brandung«, sagte sie. Sie
    gestand sich ein, daß sie auf ein Motorengeräusch lauschte. Als es ausblieb und auch kein schwarzer Renault auftauchte, seufzte sie erleichtert auf. »Jetzt wollen wir uns eine typisch bulgarische Mahlzeit gönnen, wie?«
    »Großartig. Wie weit haben wir noch bis zu Ihrem Ziel?«
    »Ungefähr zwanzig bis dreißig Meilen. Nicht mehr weit.«
    Sie aßen unter den dunklen Fresken, die die Schlacht auf dem Shipka-Paß darstellten. Mrs.
    Pollifax gab Debby ein Aspirin gegen die Schmerzen im Daumen und kaufte im Vorraum
    mehrere Ansichtskarten. Während Debby im Waschraum war, trat Mrs. Pollifax ins Freie. Ein schwarzer Renault fuhr aus dem Parkplatz und schlug die Straße hinunter nach Gabrovo
    und Tarnovo ein.
    Beklommen sah sie dem Wagen nach. Es war durchaus denkbar, daß ein anderer Tourist
    dieselbe Straße von Sofia zum Shipka-Paß benützte. Daß er aber zugleich mit ihr am Paß
    angelangt war, erschien ihr verdächtig. Sie hatte sich in Zlatica beim Tanken aufgehalten und den Renault vorbeifahren sehen.
    Dann hatten sie am Kloster eine Pause gemacht und waren wieder vom Renault überholt
    worden. Trotzdem war der Renault nicht früher als sie auf der Paßhöhe angelangt und fuhr jetzt ab.
    Das gefällt mir gar nicht, dachte sie. Schließlich war sie auf guten Glauben hierhergefahren, weil ein Fremder sie angerufen hatte. Dieser plötzliche Befehl, Sofia zu verlassen und ins Landesinnere zu fahren, war mehr als eigenartig. Durfte man Tsanko trauen?
    Sie lauschte dem Wind und fühlte sich grenzenlos verlassen.
    Ihre einzige Gefährtin war ein bezauberndes, streunendes Kind, das im Ernstfall sicher eine zusätzliche Belastung darstellte. Und dieses Land mit seinen Blumen und Hügeln erinnerte so täuschend an New England, daß es ihr eine trügerische Sicherheit vorgaukelte. Sie
    mußte sich ganz energisch ins Gedächtnis rufen, daß sie sich hier in einem Polizeistaat befand und kaum jemand ihre Sprache verstand.
    »Was ist denn los? Sie machen ein Gesicht, als sei Ihnen ein Gespenst begegnet«, sagte
    Debby, die wieder zu ihr gekommen war.
    »So fühle ich mich auch«, gab Mrs. Pollifax zu. »Ich weiß nicht warum, aber ich habe das Gefühl, wir hätten hier nicht rasten sollen.«
    »Das müssen die Berggeister sein«, sagte Debby.
    »Vermutlich«, antwortete Mrs. Pollifax betont unbekümmert.
    »Fahren wir weiter?«
    Sie waren erst wenige Meilen bergab gefahren, als die Bremsen versagten. Die Straße war steil und kurvenreich.
    Rechts fiel sie scharf ab, und links ragte der Berg auf. Mrs. Pollifax trat mehrmals
    hintereinander auf die Bremse, aber der Wagen wurde deutlich schneller. Verzweifelt zerrte sie an der Handbremse. Für Sekunden verlangsamte sich das Tempo. Dann aber war das
    Bremsseil der Belastung nicht gewachsen und riß.
    »Was ist?« schrie Debby.
    »Die Bremse«, keuchte Mrs. Pollifax. Sie hielt das Lenkrad fest umklammert. Der Wagen
    raste dahin, und sie brausten wie Verrückte um eine Haarnadelkurve. Aus dem Augenwinkel sah sie rechts neben der Straße den tiefen Abgrund. Noch eine solche Kurve, und sie waren verloren. Sie konnte die Räder nicht auf der Straße halten. Sie würden ins Nichts
    hinausschießen und in den Abgrund stürzen.
    »Ich muß wo anfahren!« brüllte sie. »Duck dich!«
    Vor ihnen lag ein kurzes gerades Straßenstück. Mit aller Kraft krümmte sich Mrs. Pollifax über das Lenkrad und schlug es gegen den Hang ein. Alles in ihr wehrte sich gegen einen Zusammenstoß. Die Bergwand baute sich drohend vor der Windschutzscheibe auf. Eine
    Sekunde starrte sie direkt in die fette, schwarze Erde, die mit niederem Immergrün und Gras bewachsen war. Dann donnerte das Metall gegen die Erde. Es gab ein häßliches
    kreischendes Geräusch. Glas splitterte. Dann war alles still.
    Sie schlug die Augen auf, also lebte sie noch. »Debby?« stammelte sie.
    Irgendwo hinten murmelte Debby etwas Unverständliches.
    Dann hob sich ihr Kopf vom Boden des Wagens. »Nichts geschehen«, sagte sie verdutzt.
    »Aber wenn wir nicht bald raus können, beginne ich sicher zu schreien. Sitzen wir fest?«
    Mrs. Pollifax sah sich um. Der Wagen hatte sich einige Fuß tief in die steile Bergflanke gebohrt. Jetzt noch schauderte

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