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der Agentenschreck

der Agentenschreck

Titel: der Agentenschreck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman
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wieder an die Frau, die sich auf die Zeichensprache beschränkte.
    Gestikulierend erklärte Mrs. Pollifax ihr, daß auch Debby ein Quartier brauchte. Sie gaben ihre Pässe ab und wurden in ein Zweibettzimmer im zweiten Stockwerk geführt.
    »Auch hier keine Fensterläden«, stellte Mrs. Pollifax fest.
    Das Zimmer lag direkt über dem Hoteleingang und der Straße. Hier wurde einem klar, warum die verbreitetste Mordart auf dem Balkan der Fenstersturz war. Auch in Sofia hatte es keine Fensterläden gegeben. Dabei war ihr Zimmer im sechsten Stockwerk gelegen.
    »Wir haben kein Wasser«, verkündete Debby aus dem Bad.
    »Unsinn, das gibt es nicht«, meinte Mrs. Pollifax. Der Fußboden des winzigen Badezimmers war in einem galligen Grün gestrichen. Es gab weder eine Wanne noch eine Duschnische.
    Nur hoch oben an einer Wand hing eine Brause, und darunter befand sich der Abfluß. Aber keiner der Hähne spendete Wasser. »Ich gehe nach unten und erkundige mich«, sagte Mrs.
    Pollifax.
    Sie pflanzte sich vor der Frau beim Empfang auf, drehte an imaginären Wasserhähnen und hob hilflos die Hände. Die Frau lächelte und ging zum Telefon. Kurz darauf reichte sie ihr den Hörer über das Pult und bedeutete ihr, zu sprechen. »Hallo?« sagte Mrs. Pollifax zweifelnd.
    »Ja«, meldete sich eine Stimme. »Sie das Englische sprechen?«
    »Und ob«, rief Mrs. Pollifax. »Mit wem spreche ich?«
    »Mit Herrn Vogel. Ich wohne weiter unten die Straße im Hotel Balkantourist. Ich bin Besuch hier, ich spreche etwas Englisch. Was ist Ihr Problem, bitte?«
    »Wir haben kein Wasser. Können Sie das den Leuten hier klarmachen?«
    »Ah...« Es folgte ein langer, tiefer Seufzer. »Aber um diese Stunde ist nirgends Wasser, Fräulein. Es fließt nur zwischen sechs und acht Uhr abends, verstehen Sie? Sechs bis acht.
    Im Morgen von sieben bis zehn.«
    »Augenblick, das schreibe ich mir auf«, sagte Mrs. Pollifax ratlos. »Aber warum?«
    »Tarnovo liegt sehr hoch. Am Berg. Wenig Wasser hier. Sahen Sie die Krüge im Bad?«
    »Ja.«
    »Füllen Sie das Wasser mit ihnen, bitte? Sechs Uhr.«
    Mrs. Pollifax dankte ihm überschwenglich, beglückwünschte die Hotelangestellte zu ihrer Initiative und ging zu Debby, um ihr die Lage zu erklären.
    Punkt sechs drangen hohle Geräusche aus dem Bad. Es grollte und gurgelte und pfiff. Und schließlich begann ein dünner Wasserstrahl zu rieseln. Nach zehn Minuten funktionierte die Wasserspülung. Debby wusch sich rasch eine Bluse aus, und anschließend duschten sie nacheinander. Zum Abendessen gingen sie nach unten. Sie saßen unter dem Straßenniveau auf einem Balkon mit Blick in die Schlucht.
    Kurz nach neun ging Debby zu Bett, da sie sehr erschöpft war. Mrs. Pollifax setzte sich in die Halle, las ein bißchen und verließ dann das Hotel, um zum Burgtor zu gehen.
    Debby erwachte schlaftrunken. Im ersten Augenblick fand sie sich nicht zurecht. Ach ja, ich bin in Bulgarien, erinnerte sie sich. In Tarnovo. Unter ihrem Fenster schwatzten mehrere Männer. Das hatte sie geweckt. Da das Fenster weit offen stand und der Hoteleingang direkt unter ihr lag, klangen die Stimmen laut und deutlich.
    Sie konnte nicht lange geschlafen haben, weil es noch immer nicht völlig dunkel war. Debby stieg aus dem Bett und trat ans Fenster. Sie war müde, und ihr Daumen schmerzte. Ein sanfter Lufthauch drang in ihr stickiges Zimmer. Sie sah auf ihren Reisewecker. Beinahe zehn Uhr. Sie staunte, daß Mrs. Pollifax noch nicht hier war.
    Überhaupt verstand sie diese Mrs. Pollifax nicht, mußte sich aber widerwillig eingestehen, daß sie sie unerwartet nett fand.
    Das war ihr unangenehm. Debby hatte sich längst abgewöhnt, Erwachsenen zu vertrauen.
    Die Folge davon war, daß auch die Erwachsenen ihr nicht trauten. Und sie war auch ein unverläßlicher Mensch, das gab sie freiwillig zu. Nur ihre Altersgenossen konnten sich auf sie verlassen. Ihnen brachte sie zumeist eine ebenso ungestüme wie unbegründete Zuneigung entgegen, wie Dr. Kidd ihr immer wieder vorhielt.
    Aber schließlich war auch Dr. Kidd erwachsen und wirkte nicht ganz echt. Er trug das Haar betont lang und äffte die Kleidung junger Leute nach.
    An Mrs. Pollifax hatte sie bisher noch keinen unechten Ton entdeckt. Sie sagte genau, was sie sich dachte. Debby fand das an einer so typischen Vertreterin des Establishments unbegreiflich.
    Die Männer unter ihrem Fenster lachten plötzlich laut auf und entfernten sich. Die Dämmerung ging langsam in Finsternis über, und die einsame

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