der Agentenschreck
Problem. Ich habe kein Verlangen, von diesem
Radev und Mrs. Bemish gesehen zu werden. Wenn man weiß, wer wir sind, ist das für uns
alle höchst gefährlich.«
»Strumpfmasken«, rief Debby entzückt.
Mrs. Pollifax klatschte in die Hände. »Bravo, Debby!« Dann sah sie auf die Uhr und stand auf. »Es ist schon spät«, meinte sie bedauernd. »Debby und ich müssen ins Hotel zurück, ehe unser Ausbleiben auffällt. Außerdem muß ich sofort Balkantourist anrufen, wenn ich
morgen die Gänsefarm besuchen will.«
Bekümmert fügte sie hinzu: »Dort ist man von plötzlichen Eingebungen nicht begeistert.«
Sie beschlossen, morgen um fünf Uhr den blauen Wagen wieder zum Hotel zu schicken.
»Verlieren Sie nicht den Mut, Amerikanski«, sagte Tsanko. »Wir sind weder verblendet,
noch feige. Sie haben uns wieder Hoffnung gemacht.«
Es war ein langer Tag gewesen, und Mrs. Pollifax freute sich bereits darauf, zum ersten Mal seit ihrer Ankunft in Bulgarien eine ganze Nacht durchschlafen zu können. Sie und Debby verabschiedeten sich in der Halle, und Mrs. Pollifax wartete, bis Debby in ihrem Zimmer verschwunden war. Mit unterdrücktem Gähnen — schließlich war es erst halb zehn —
sperrte sie ihre Zimmertür auf.
Das Licht brannte. Nevena saß auf einem Stuhl gegenüber der Tür.
»Nein, so etwas!« sagte Mrs. Pollifax erfreut. »Eben wollte ich Sie anrufen, Nevena.«
»So, Mrs. Pollifax«, sagte Nevena streng.
Da fiel Mrs. Pollifax ihr langes Sündenregister ein und wie viele Ausreden sie dem
Reisebüro schuldig war. Ein Glück, daß Debby — von deren Anwesenheit weder Eastlake
noch das Balkantourist-Büro etwas wußten — sich zurückgezogen hatte.
»Sie waren nicht in Tarnovo, als der Fahrer Sie um dreizehn Uhr abholen wollte«, sagte
Nevena.
»Nein.«
»Er hat gewartet.«
»Ich hinterließ ihm eine Nachricht —«
»Er hatte den Auftrag, auf Sie zu warten. Er wartete. Wo waren Sie?«
»Jemand war so freundlich, mich in seinem Wagen nach Sofia mitzunehmen. Mr. Eastlake
von meiner Botschaft hatte mich angerufen —«
»Das wissen wir«, schnitt Nevena ihr schroff das Wort ab. »Aber Mr. Eastlake hat angerufen vor mir.«
Mrs. Pollifax riß die Augen auf. Balkantourist schien sehr genau über ihren Tagesablauf informiert zu sein. »Ich habe Ihnen ja gleich angeboten, mit der Bahn zu fahren«, verteidigte sie sich.
Nevena warf die Arme hoch. »Noch nie ich habe Tourist gehabt wie Ihnen. Balkantourist ist böse, sehr böse. Sie tun, was Sie wollen. Ist sehr unhöflich.«
»Es tut mir leid.«
»Aber trotzdem tun Sie, was Sie wollen. Sie benehmen sich nicht gut. Es ist zuviel. Wir können nicht anders.«
Mrs. Pollifax horchte argwöhnisch auf.
»Sie müssen fort«, erklärte Nevena frostig und stand auf.
»Morgen früh mit erster Maschine.«
Mrs. Pollifax blieb wie gelähmt sitzen. Ihr erster Kampf fand hier in diesem Zimmer statt, das war ihr klar. Verlor sie ihn, erübrigten sich alle weiteren Kämpfe. Bei diesem Gedanken wurde ihr sehr kalt. »Das tut mir leid«, sagte sie ruhig.
»Aufrichtig leid, Nevena. Ich wollte Sie eben anrufen, um mich bei Ihnen zu entschuldigen und Sie zu bitten, ob ich eine Ihrer großen Kollektivfarmen besichtigen dürfte, von denen ich schon so viel Gutes gehört habe. Aber wenn ich natürlich abreisen muß...« Sie seufzte.
»Meine Tochter Jane wird sehr enttäuscht sein. Sie züchtet nämlich Gänse.«
»Was?« sagte Nevena verblüfft.
»Sie züchtet Gänse«, wiederholte Mrs. Pollifax fest. »Dabei habe ich erst heute nachmittag erfahren, Nevena, daß Bulgarien wegen seiner Leberpastete ganz berühmt ist. Davon hatte ich keine Ahnung. Meine Tochter würde es sicher interessieren, was Ihr Land...«
Nevena starrte sie an. »Davon haben Sie in Ihrem Brief an Balkantourist mit den
Besichtigungswünschen nichts geschrieben.«
Mrs. Pollifax zuckte die Achseln. »Weil ich doch gar nichts davon gewußt habe. Ich dachte, gute Gänseleberpastete würde ausschließlich in Frankreich erzeugt. Die Straßburger
Gänseleber ist so... so...«
»Frankreich!« Nevenas Lippen verzogen sich verächtlich.
»Frankreich?« Sie warf den Kopf in den Nacken. »Wir sind besser als die Franzosen. Sie
sind burgeois. Wir exportieren große Mengen Gänseleber für die beste Pate de foi gras —«
»Eben«, nickte Mrs. Pollifax bekümmert. »Und ich hatte mich richtig gefreut —«
»Die Franzosen «, zischte Nevena. Nach kurzem Schweigen sagte sie vorsichtig: »Vielleicht,
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