der Agentenschreck
wenn Ihre Entschuldigung wird angenommen, ich kann tun.«
»Da wäre ich Ihnen wirklich dankbar«, sagte Mrs. Pollifax aufrichtig.
»Okay, ich werde sehen«, sagte Nevena. »Wenn ja, werden Sie morgen, Freitag, hingeführt und fliegen Samstag früh.«
»Ohne Sofia besichtigt zu haben«, nickte Mrs. Pollifax.
»Wieso?« fragte Nevena scharf. »Sie haben Sofia gesehen.«
Mrs. Pollifax schüttelte den Kopf. »Nur den Berg Vitosha.
Dann war ich müde, verstehen Sie, und bin zurück ins Hotel gefahren. Ich habe weder die Nefesky-Kathedrale, noch Ihr Denkmal der russischen Armee oder das Georgi-Demitrov-Mausoleum gesehen. Oder den Leninplatz.«
Nevena bekam einen schmalen Mund. »Man kann Ihnen nicht nochmals mit Wagen trauen.«
Aber sie hatte nicht nein gesagt.
Es entstand eine lange Pause, bei der Mrs. Pollifax neuen Mut schöpfte, weil Nevena
angestrengt überlegte. Schließlich hob sie den Blick und musterte Mrs. Pollifax streng. »Sie haben kein Verstand«, sagte sie. »Sie kommen, Sie gehen, wir können Sie nicht finden.«
»Stimmt, Nevena«, sagte sie reumütig.
»Aber Sie sind alte Frau. Ich glaube Ihnen, wenn Sie sagen, tut Ihnen leid. Ich mache mit Ihnen Kompromiß. Wenn Sie sehr brav sind, wir fahren Sie morgen zu Kollektiv. Samstag
zehn Uhr Sie machen große Stadtrundfahrt — mit vielen Leuten.
Dann verlassen Sie abend um sieben Hotel und fliegen mit der Maschine um neun Uhr.«
Mrs. Pollifax nickte. Immerhin hatte sie achtundvierzig Stunden gewonnen. Vielleicht
genügte diese Zeit. Sie mußte genügen.
»Und«, ergänzte Nevena nachdrücklich. »Sie melden sich immer bei Balkantourist. Unter
solchen Bedingungen —«
»Ich habe mich schlecht benommen, und Sie geben mir eine zweite Chance, für die ich
Ihnen sehr dankbar bin, Nevena.«
Nevenas Gesicht wurde weicher. »Sie sind nicht schlecht«, lenkte sie ein, als sei diese Erkenntnis die Frucht einer tiefschürfenden Analyse. »Aber Sie sind leichtsinnig, faul. In Bulgarien ist man nicht leichtsinnig und faul.«
Mrs. Pollifax nickte. Das glaubte sie ihr.
»Wir geben Ihnen achtundvierzig Stunden, nicht mehr. Ich spreche für Sie, weil Sie nicht schlecht sind, nur ohne Verstand.
Aber jetzt Sie sind vernünftig, verstanden? Sonst sofort weg.«
»Ich danke Ihnen, Nevena.«
»Sehen Sie? Wir Bulgaren haben Herz.« Sie faßte beinahe liebevoll nach Mrs. Pollifax'
Schulter. »Das Dobri-Vapcarov-Kollektiv züchtet Gänse für die Gänseleberpastete. Punkt
neun Uhr in der Halle.«
Damit ging sie. Aufatmend dankte Mrs. Pollifax dem Schicksal, das ihr noch einen kurzen Aufschub vergönnt hatte.
18
Debby kam bereits um sieben Uhr früh zu Mrs. Pollifax. »Ich dachte, ich würde ewig
schlafen, aber ich finde keine Ruhe«, erklärte sie. »Mrs. Pollifax, war das gestern abend Ihr Ernst?
Glauben Sie, daß auch nur die leiseste Chance besteht?«
Mrs. Pollifax griff nach Bleistift und Papier und schrieb Vielleicht gibt es hier Abhörgeräte.
Vorsicht. Während sie Debby den Zettel zuschob, sagte sie gleichmütig: »Meine
Fremdenführerin Nevena hat mich gestern abend hier erwartet. Balkantourist findet, daß ich mich unverzeihlich benommen habe. Was ja auch stimmt«, setzte sie scheinheilig hinzu.
»Nevena hat mir nahegelegt, Bulgarien unverzüglich zu verlassen.«
»Man weist sie aus?« fragte Debby entsetzt.
»Dieser Ausdruck ist zum Glück nicht gefallen. Er würde doch ziemlich hart klingen. Sie war aber so freundlich, mir weitere achtundvierzig Stunden zu gewähren, falls ich mich sittsam benehme. Dadurch kann ich heute ein Kollektiv besichtigen und morgen eine Stadtrundfahrt machen.«
»Wau«, sagte Debby und schüttelte sich selbst die Hand.
Mrs. Pollifax nickte. »Und jetzt werde ich ein Bad nehmen.«
»Ich schicke Dr. Kidd vielleicht eine Ansichtskarte. Auf der steht, daß ich mit einem
bulgarischen Schafhirten durchgebrannt bin.«
Mrs. Pollifax schloß sich in ihr Badezimmer ein. Sie segnete den Umstand, daß es in Sofia genügend heißes Wasser gab, denn sie mußte über vieles nachdenken, vor allem über
Debby, die vorderhand zum Glück von allen übersehen worden war. Debbys Daumen heilte
bereits, sie waren wieder in Sofia, aber trotzdem war Debby in den letzten vierundzwanzig Stunden unabsichtlich immer tiefer in das gefährliche Unternehmen hineingeraten. Die
Frage war bloß, wie weit sollte sie noch verstrickt werden?
Natürlich konnte niemand sie mit Bemish in Tarnovo in Verbindung bringen. Man würde den
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