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Der Algebraist

Der Algebraist

Titel: Der Algebraist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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schließlich, falls der Dweller dieses Alter (im
Minimum ein ein Viertel Millionen Jahre) erreichte und von
seinesgleichen für würdig erachtet wurde, die
Weisenperiode, in der sich sämtliche Phasen der Erwachsenen-,
Reife- und Schwellenperioden noch einmal wiederholten. Theoretisch
war Jundriance ein Chice in der Reifephase der Weisenperiode. Er war
dreiundvierzig Millionen Jahre alt und auf einen Durchmesser von
sechs Metern geschrumpft. Sein Panzer war nachgedunkelt und hatte die
trübe Patina des mittleren Alters angenommen, und er hatte die
meisten seiner Gliedmaßen verloren. Dieser Dweller hütete,
was vom Haus und den angeschlossenen Bibliotheken des für tot
erklärten Schwellen-Choal Valseir noch übrig war.
    Zu normalen Zeiten war die Aussicht vor den Fenstern immer die
gleiche: ein dunstiges Band aus tiefbraunen und violetten
Gasschleiern in einem großen senkrechten Zylinder unbewegter
Dunkelheit, dem letzten Echo des großen Sturms, um den sich das
Haus einst gedreht hatte wie ein winziger Planet um eine kalte
Riesensonne. Von außen gesehen bestand der Komplex aus
Wohntrakt und Bibliothek aus zweiunddreißig Sphären, jede
etwa siebzig Meter im Durchmesser, viele am Äquator von Baikonen
umgeben, ein Blasenhaus, das aussah wie eine Schar von
unwahrscheinlich dicht aufeinander getürmten Ringplaneten. Es
schwebte nur wenige Kilometer über der Region, wo sich die
Atmosphäre mehr wie eine Flüssigkeit verhielt als wie ein
Gas, in einer ausgedehnten, dicken Gasschicht, und sank ganz langsam
hinab in die dunklen, heißen Tiefen.
    »Das ist also sein Haus?«, hatte der Colonel gefragt,
als das Gebäude zum ersten Mal vor dem Vorderdeck der Poaflias aufgetaucht war.
    Fassin hatte sich umgesehen und mit seiner Schall- und
Magnetsensorik nach dem Abschnitt des verfallenen WolkenTunnels
gesucht, an dem das Haus früher verankert gewesen war, aber der
war offenbar nicht mehr in der Nähe. Die Lagepläne der Poaflias hatte er bereits konsultiert. Das Stück
WolkenTunnel war auf den Holokarten der Umgebung nicht verzeichnet,
was bedeutete, dass es sehr weit abgetrieben oder –
wahrscheinlicher – in die Tiefe gestürzt war.
    »Ja«, sagte er. »Sieht ganz danach aus.«
    Die Poaflias hatte wenden und nach Munueyn
zurückfliegen müssen, um den schwer verletzten Scholisch in
ein Krankenhaus zu bringen. Die Ärzte hatten ihm eine
fünfzigprozentige Überlebenschance gegeben. Am besten
würde die Heilung vonstatten gehen, wenn man ihn für einige
hundert Jahre in ein Drogenkoma versetzte. Mehr könnten sie
nicht tun.
    Y’sul bekam zahllose Angebote von Dwellern in der Jugendoder
Adoleszenzperiode, die nur zu gern die Stelle seines
verkrüppelten Dieners eingenommen hätten, aber er lehnte
sie alle ab – eine Entscheidung, die er nur einen Tag
später wieder bereute, als sie sich abermals auf den Weg machten
und er feststellte, dass er nun niemanden mehr hatte, den er
anbrüllen konnte.
    Sie hatten die Strecke unter Umgehung aller Gefahren, anderer
Schiffe und Minen jeder Art in zehn Tagen zurückgelegt. Der
Weise Jundriance wurde von Nuern und Livilido betreut, zwei
stämmigen Dienern in der Reifeperiode, die in aufwändig
verzierten, aber schlecht sitzenden Gelehrtenroben steckten. Sie
waren alt genug, um eigene Diener zu haben: ein halbes Dutzend
außerordentlich schweigsame Erwachsene, die wie eineiige
Sechslinge aussahen, eifrig umhereilten, aber in ihrer
Schüchternheit an Autisten erinnerten.
    Nuern, der ältere der beiden Diener – ein Mouean,
Livilido, ein Suhrl, stand eine Stufe unter ihm – hatte sie
empfangen, ihnen ihre Zimmer zugewiesen und ihnen erklärt, sein
Herr sei damit beschäftigt, die verbliebenen Werke in den
Bibliotheken zu katalogisieren. Wie Y’sul bereits vermutet
hatte, war ein großer Teil des Inhalts nach Valseirs Unfall
wahllos verteilt worden. Wahrscheinlich war es nur der
Abgeschiedenheit des Hauses zu verdanken, dass nicht noch mehr
Gelehrte aufgetaucht waren, um die Überreste zu durchsuchen.
Jundriance befinde sich jedoch in ›Langsam‹-Zeit, wenn sie
also mit ihm sprechen wollten, müssten sie sich seinem Denktempo
anpassen. Fassin und der Colonel hatten sich dazu bereit
erklärt. Y’sul hatte verkündet, für ihn komme das
nicht in Frage. Er wollte mit der Poaflias eine Spritztour in
die nähere Umgebung unternehmen und vielleicht ein wenig auf die
Jagd gehen.
    »Eigentlich wären Sie verpflichtet, auf uns zu
warten«, hatte ihm der Colonel

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