Der Algebraist
nur langsam reisen könne. Somjomion widersprach
entrüstet, prüfte die Behauptung aber nach und verlangte
dann ein weiteres persönliches Gespräch mit dem Hierchon.
»Tatsächlich«, seufzte sie schließlich.
»Aus dem Profil des Obersten Sehers geht hervor, dass er
körperlich nicht in der Lage ist, Belastungen über 1,5 Ge
auszuhalten, und er hält sogar das für eine Zumutung. Er
kann den Stützpunkt auf Third Fury erst in neun Tagen
erreichen.« Colonel Somjomion sah Fassin scharf an. »Sie
beginnen gleich morgen mit einer ausführlichen Einweisung, Major
Taak. Wenn danach noch Zeit ist, können Sie einen oder zwei Tage
Urlaub nehmen. Aber ich will nichts versprechen.«
»Soso. Ein neuer Notstand«, sagte Saluus und
lächelte breit. »Und wie man hört, habe ich das dir zu
verdanken, Fass.« Er reichte ihm eine schmale
Sektflöte.
Fassin nahm das Glas. »Ganz allein mein Werk.«
Sal gehörte zu den wenigen Personen in diesem System,
für die das Inkrafttreten eines Notstandsplans ein legitimer
Grund zum Feiern war.
»Tatsächlich?«, fragte Saluus. »Dann bist du
noch bedeutender, als ich dachte. Und dabei siehst du immer noch aus
wie zwanzig, du Hund.« Sals Lachen klang unbeschwert, ein Mann,
der es sich leisten konnte, mit Komplimenten um sich zu werfen. Die
beiden stießen an. Sie tranken Champagner der Marke Krug. Es war ein unvorstellbar alter Jahrgang, der noch von der Erde
stammte und wahrscheinlich so viel wert war wie ein kleines
Raumschiff. Wohlschmeckend, aber nur wenig moussierend.
Die beiden Männer standen auf einem Balkon und schauten
über den Krater. Die aufschießenden Wasser bildeten eine
gewaltige schäumende Wand, die sich unter dem Haus nach allen
Seiten ausbreitete, ein flacher Hohlkegel aus kleinen
Schaumhügelchen und -rippen, die sich wild aufbäumten, in
sich zusammenfielen und schließlich nach außen rasten, wo
sie sich ein wenig beruhigten und in tosenden Wellen ausliefen. Der
Balkon befand sich dicht über dem Äquator des Kugelhauses,
so dass die beiden die Wassersäule, auf der alles ruhte, nicht
sehen konnten. Nur der Lärm schallte von den zwei Kilometer
entfernten Kraterwänden zu ihnen zurück.
Sie waren nach einem schlichten Empfang und einem kleinen Essen
mit einigen Freunden von Sal und seiner Frau – lauter
Prominenten, die nur für den Nachmittag gekommen waren –
hier heraufgestiegen. Fassin wollte zwei Tage bleiben, dann brauchte
ihn die Justitiarität wieder in Borquille. Er trug noch immer
die dunkelgraue Uniform mit den auffälligen blauen Biesen.
Sal lehnte sich mit dem Rücken gegen die Brüstung.
»Ich freue mich jedenfalls, dass du gekommen bist.«
Fassin nickte. »Ich bedanke mich für die
Einladung.«
»Es war mir ein Vergnügen. Obwohl mich deine Anfrage
etwas überrascht hat.«
»Zu dir haben sie Vertrauen, Sal.« Fassin zuckte die
Achseln.
»Ich musste raus aus diesem ganzen militärischen Zirkus,
und sie hätten mich nicht einfach durch das Palasttor und weiter
nach Boogeytown spazieren lassen.« Er schaute über die
tobenden Fluten. »Und überhaupt« – ein Blick auf
Sal – »haben wir uns viel zu lange nicht gesehen.«
Sein alter Freund sollte den Eindruck haben, er hätte nur einen
Vorwand gesucht, um die längst fällige Versöhnung in
die Wege zu leiten. Sie hatten sich in den zweihundert Jahren seit
der Zerstörung des Wurmlochs nur sporadisch getroffen,
gewöhnlich bei gesellschaftlichen Massenveranstaltungen, vor
denen man sich kaum drücken konnte, obwohl man sich dabei leicht
einsam fühlte. Zu einer offenen Aussprache war es nicht
gekommen.
Auch jetzt brauchten sie sich mit ganzen Passagen ihres Lebens
nicht weiter zu befassen. Womit sich jeder von ihnen
beschäftigte und wie er lebte, war ein offenes Geheimnis, es
wäre fast kränkend gewesen, sich danach zu erkundigen.
Fassin kannte Sals Frau schon aus den Klatschspalten der Medien, es
war fast überflüssig, ihn mit ihr bekannt zu machen. Beim
Empfang hatte es keine einzige Person gegeben – die Dienerschaft
natürlich ausgenommen – über die Fassin, der sich
wahrhaftig nicht allzu sehr für das Gesellschaftsleben
interessierte, nicht sofort eine Kurzbiographie hätte verfassen
können. Saluus war über Fassin wahrscheinlich weniger gut
informiert als umgekehrt, aber er hatte ihm bereits zu seiner
Verlobung mit Jaal Tonderon gratuliert, soweit war er also im Bilde.
(Oder, was wahrscheinlicher war, er hatte einen tüchtigen
Sekretär mit einer umfassenden
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