Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)

Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Frankel
Vom Netzwerk:
er sagte nichts. Während der Computer bisher immer genau angemessen geantwortet hatte, hatte Meredith nun genau verkehrt geantwortet. Das Programm hatte die Situation korrekt eingeschätzt: unauffällig, alltäglich, herzlich, aber nicht überdreht. Ganz normale sterbliche Sehnsucht und nicht die von der außergewöhnlichen, immerwährenden Sorte. Die Antwort der Enkelin triefte hingegen vor Tragik, Pathos und vor durch Tapferkeit getarnter Verzweiflung.
    Dem Programm fiel die Veränderung sofort auf. Es reagierte mit Sorge.
    »Ach Schätzchen,
    Du wirkst so traurig! Schläfst Du genug? Geht es Dir gut? Vielleicht arbeitest Du wirklich zu viel. Ich vermisse Dich auch, aber wir sehen uns ja schon bald wieder. Ich kann es gar nicht erwarten!! Wenn ich bis dahin irgendetwas für Dich tun kann, lass es mich wissen.
    Hab Dich lieb! Bis ganz bald!! Der nächste Sommer kommt bestimmt!!
    Ich umarme und küsse Dich!
    Oma
    PS: Sam klingt nach einem heißen Typen! Schick mir ein Foto!
    V ideo killed the Radio Star
    Sam sagte: » Lass uns aufhören. « Mit Nachdruck. Er sagte: » Genug ist genug. « Während er ihren nackten Körper an seinen drückte, flüsterte er ihr zu, dass das Ganze weder gesund noch aufschlussreich noch gut für sie sei, dass niemand ihr schreibe und auf ihre Antworten warte, dass alles nur Einsen und Nullen seien, ein cleveres Computerprogramm, Datensätze und hüpfende Elektronen. Sie antwortete, dass sein Algorithmus auch nicht mehr gewesen sei und sie trotzdem zusammengebracht habe. Etwas Echteres gebe es doch gar nicht. Ein so großes Wunder, so viel Licht, so viel Leben, das im Nirgendwo entstanden sei, aus dem Nichts heraus, an einem Ort, an dem vorher kein Leben gewesen sei. Sam argumentierte, dass die E-Mails ihren Schmerz nur vergrößern würden, statt ihn zu lindern, woraufhin sie antwortete, dass sie sowieso leiden würde und auf die Weise wenigstens tröstende E-Mails von ihrer Großmutter bekäme. Sam sagte, er mache sich Sorgen, dass sie sich in etwas verrenne. Sie fragte: » Glaubst du, du bekommst auch Video hin? «
    » Jetzt werd nicht albern « , sagte Sam. Die Antwort war eindeutig Nein, natürlich nicht, was für eine absurde Idee, auf gar keinen Fall, wie süß von dir, dass du mir so etwas Abwegiges zutraust. Nein. Das mit der E-Mail war eine Kapriole gewesen, ein Zeitvertreib, aus purer Neugier. Das Programm griff sich wiederholende Elemente auf, ordnete sie neu an, um Abwechslung zu schaffen, und fügte Merediths Stichwörter ein. Im Grunde war es bloß ein besseres Lückentext-Spiel, so wie Mad Libs. Die Übertragung des Prinzips auf Videos erforderte hingegen nicht nur Lösungen für Probleme , die Computerprogrammierer schon beschäftigten, seit es diesen Beruf gab, sondern auch ein Wunder. Daher hätte die Antwort auf Merediths Frage weiterhin ein entschiedenes »Du bist wohl auf Droge? Nein!« sein müssen, hätte Sam nicht einen wichtigen Faktor vernachlässigt. Nichts auf der ganzen Welt war überzeugender als die eigene, in ihn vernarrte, leidende, sehr attraktive und relativ neue Freundin, die ihn mit Tränen in den Augen anflehte: »Bitte, Sam! Kannst du es nicht wenigstens versuchen? Für mich? Ich weiß, dass so was noch nie vorher gemacht wurde, aber du bist ein Genie, Sam. Ich weiß, dass du es kannst. Ich glaube an dich und dein Superhirn. Es macht mich so traurig, dass sie nicht mehr da ist, und ich weiß, dass mir Videos helfen würden. Wenn du mich darum bitten würdest, würde ich es sofort tun.«
    »Merde«, antwortete Sam v orsichtig, weil er ihr die Illusion, dass er ein Genie sei, nicht nehmen wollte. »W as du da verlangst, ist unmöglich. Genauso gut könnte ich sie von den Toten wiederauferstehen lassen.«
    »Das wäre auch okay «, willigte sie großzügig ein.
    »Ich kann beides nicht.«
    »Ein Video ist doch auch nichts anderes als eine E-Mail.«
    »Ein Video ist etwas vollkommen anderes als eine E-Mail.«
    »Warum? Es funktioniert doch genauso. Der Computer merkt sich, wie sie aussieht und wie sie klingt und was sie sagt und wie sie es sagt.«
    »Nein.«
    »Warum?«
    »Darum.«
    »Sehr witzig«, antwortete sie. »K annst du nicht oder willst du nicht?«
    »I ch kann nicht. Nummer eins: E-Mails werden vollständig archiviert. Du guckst in ihren Postausgang, und da sind sie. Video-Chats werden überhaupt nicht archiviert. Wir könnten vielleicht ein paar IP-Pakete ausfindig machen, aber die Daten wären komplett durcheinander, unlesbar, unsortierbar.

Weitere Kostenlose Bücher