Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)
»Ich bin praktisch eine nicht enden wollende freudige Überraschung. Da wäre zum Beispiel diese Sache mit den Erdferkeln. Das konnte wirklich niemand vorhersehen.«
» Das ist ja auch nicht schwer «, antwortete Sam. »Du lebst ja noch.«
»Und was heißt das?«
»Das heißt, dass du deine Gesprächsthemen zwar variieren kannst, ihre Reaktionen darauf aber ungefähr gleich bleiben. Welche Geschäfte du auch gerade abschließt, welche Verträge gerade in der Mache sind oder welcher Film gerade produziert wird, sie wird immer antworten, wie aufregend das alles ist und wie stolz sie auf dich ist. Du wirst nie eine tiefschürfende Diskussion mit ihr darüber führen, ob die eine Investition nun vorteilhafter ist als die andere. Du lieferst ihr einen groben Überblick, und sie überschüttet dich mit Lob. Und erzählt vom Strand und vom Wetter. Und das war’s.«
»Willst du damit sagen, dass ich zwar eine nicht enden wollende freudige Überraschung bin, aber meine Großmutter – unsere allseits geliebte Matriarchin und Genlieferantin für deine Freundin hier – öde und langweilig war?«
»Nein, damit will ich sagen, dass ihr immer wieder sehr ähnliche Gespräche geführt habt und kleine Veränderungen nicht das übergeordnete Schema über den Haufen werfen, das du im Gegensatz zum Computer nicht einmal wahrnimmst. Du schließt deinen Vertrag mit dem Erdferkel-Typen ab, und sie ist stolz auf dich. Die Erdferkel kannst du getrost durch Meerschweinchen oder Luftballons oder Käse ersetzen und den geglückten Vertragsabschluss durch selbst gemachtes Rhabarbermus. Der Computer weiß trotzdem, dass sie stolz auf dich wäre.«
» Auch wenn ich ihr von einem schlabbrigen Zungenkuss erzählen würde?«, fragte Dash.
»Eklig«, lautete Sams Urteil.
»Nein, i ch mein’s ernst. Was, wenn ich etwas vollkommen Untypisches tun würde? Wäre sie auch stolz auf mich, wenn ich ihr von einem schlabbrigen Kuss oder völlig gequirlten Stuss erzählen würde?«
»Keine Ahnung«, gab Sam zu. »Gute Frage. Ab er Meredith lässt mich leider nicht daran herumexperimentieren.«
» An ihr «, korrigierte Meredith. »Ich lass e dich nicht an ihr herumexperimentieren. An meiner toten Großmutter. Was bin ich doch für eine blöde Zicke.«
»Aber es gibt eigentlich gar kein ›sie‹ , oder?«, stellte Dash klar. »Du hast den Computer nicht mit ihrem Bewusstsein ausgestattet oder so was?«
»Mach mir nicht meine Illusion kaputt«, bat Meredith.
»Streng genommen ist es keine Illusion«, sagte Sam. »Natürlich kann ich einem Computer nicht Livvies Bewusstsein einpflanzen, aber real ist es trotzdem.«
»Ich will ja nicht wi e ein zugekiffter Highschool-Poet klingen, aber was ist schon real, Mann?«, fragte Dash und klang wie ein zugekiffter Highschool-Poet.
»Der Computer sammelt alle Daten und erstellt daraus eine Projektion. Er durchkämmt ihr gesamtes elektronisches Archiv und …«
»Ist das nicht ein Eingriff in ihre Privatsphäre?«
»Schon, aber erstens ist sie tot und zweitens gehört sie zur Familie, daher finde ich das in Ordnung. Außerdem ist das ihr öffentliches Ich, das Ich, das sie euch bereits preisgegeben hat. Das Programm weiß ja nichts, was sie geheim gehalten hat. Es reproduziert nur die Version von Livvie, die ihr bereits kennt. Darüber hinaus ist alles eine Frage von wiederkehrenden Mustern. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie bei einem Gespräch mit dir das Wetter erwähnt? Etwa neunundneunzig Komma neun Prozent. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass du ihr nur von den angenehmen und unverfänglichen Seiten deiner Arbeit erzählst?«
»Bei meiner Arbeit gibt es nur angenehme und unverfängliche Seiten, Baby«, erklärte Dash.
»Und wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie dir daraufhin sagt, wie stolz sie auf dich ist? Neunundneunzig Komma neun Prozent. Einfacher geht’s nicht.«
B each Party
Dashiell kehrte nach L. A. zurück, und Meredith schrieb weiter E-Mails an ihre Großmutter und führte ungefähr jeden zweiten Tag fünfminütige Video-Chats mit ihr. Mehr nicht. Sie war nicht besessen davon, sie war nicht missmutig. Sie vermisste ihre Großmutter, aber es hielt sich im Rahmen. Soweit Sam das beurteilen konnte, war sie wieder ganz die Alte. Die Anfangszeit ihrer Beziehung war wirklich seltsam gewesen. Ohne seine Geschäftsreise nach London zu einer Zeit, in der sie am verliebtesten gewesen waren, ohne die mit dieser Trennung einhergehende Verzweiflung, den durch die
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