Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)

Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Frankel
Vom Netzwerk:
ich.«
    »Genau darum geht es.«
    »Oh nein.«
    »Es schadet doch niemandem.«
    »Es schadet mir.«
    »Warum?«
    »Weil es falsch ist, sie auf die se Weise in Erinnerung zu behalten.«
    »Und wie wäre es richtig, Mama?«
    »Man sieht sich Fotos an, Meredith. Erzählt sich Geschichten. Verdammt, du lebst doch in ihrer Wohnung. Wie kann denn das nicht …«
    »Genug sein?«, ergänzte Meredith ihre Frage.
    Julia hielt inne. »Es ist nie genug, das weiß ich. Aber das, was ich gerade da drinnen gesehen habe … das ist falsch.«
    »Warum?«, hakte Meredith nach.
    »Weil das nicht sie ist. Alles, was mir von ihr bleibt, sind meine Erinnerungen, und ihr …«
    » Und genau die machen wir uns zunutze. Darauf basiert das alles nämlich. Auf deinen Erinnerungen. Aber auch auf ihren. Ist es nicht schön, dass sie nicht einfach verloren gehen?«
    Julia blickte ihre Tochter durch Tränen hindurch an, die ihr über die Wangen liefen und von ihrem Rollkragenpullover aufgesogen wurden. Dann zog sie ihre Tochter zu sich heran und strich ihr übers Haar, hielt sie schweigend ein paar verwirrte Minuten lang im Arm, bevor sie flüsterte: »Meredith. Ich liebe dich. Mehr als jeden anderen Menschen auf der Welt. Das wird immer so bleiben. Und du bist inzwischen ein großes Mädchen – intelligent, offen, großherzig. Aber ich habe keine Ahnung, was du da tust. Und ich weiß auch nicht, ob du eine Ahnung hast. Jedenfalls ist es falsch und grausam und egoistisch. Aber vor allem hätte es deine Großmutter nicht gewollt.«
    Sam beobachtete die beiden vom Wohnzimmer aus. Meredith starrte mit hängenden Schultern auf ihre Schuhe, die Arme fest vor der Brust verschränkt. Sam konnte sich plötzlich genau vorstellen, wie es gewesen sein musste, Meredith als Teenager Hausarrest zu erteilen. Aber dann hatte sie sich wieder unter Kontrolle und sagte: »So hast du mich verkorkst, Mama. Alles, was nicht deiner Vorstellung entspricht, ist falsch. Jeder, der nicht deiner Meinung ist, hat keine Moral. Ich lebe lieber in einer Stadt als auf einer Insel, und mir gefällt dieses große, alte Wohnhaus, aus dem du so schnell wie möglich fliehen wolltest, und die Leute, die im Supermarkt einkaufen und die du verachtest, weil sie keine selbst gemachten Lebensmittel essen. Ich hatte jahrelang Schuldgefühle, weil mir das alles gefällt, bis mir endlich klar geworden ist, dass deine Ansichten keine unumstößlichen Weisheiten sind. Sie sind nur deine persönliche Meinung, deine voreingenommene, selbstgerechte Meinung. Und mir steht genauso eine eigene Meinung zu.«
    »Das hier ist aber nicht nur meine Meinung, Meredith. Wenn das, was ich da drinnen gesehen habe, okay wäre, hättet ihr es nicht geheim gehalten. Ich möchte nicht in deiner Nähe sein, wenn du so bist. Ich liebe dich, aber jetzt will ich nach Hause.«
    Meredith seufzte. »Du willst immer nach Hause, Mama.«
    »Es ist einf ach falsch, Meredith. Ich will damit nichts zu tun haben und auch nicht zusehen müssen, dass du etwas damit zu tun hast.«
    Julia ging wieder hinein und fing an zu packen, ohne Sam eines Blickes zu würdigen. Dann bat sie Kyle, sich für beide zu verabschieden, während sie im Auto wartete. Vorher hatte sie zwei tiefseeblaue Becher aus ihrem Koffer genommen, sie auf den zugeklappten Laptop gestellt, ihre Tochter auf den gebeugten Kopf geküsst und wortlos die Tür hinter sich zugezogen.
    » Papa …«, setzte Meredith an.
    » Lass es gut sein «, bat er sie.
    » Was?«
    Er antwortete nicht. Stattdessen sagte er: »Am Dienstag ist sie bis spät nachts aufgeblieben, um die beiden Tassen zu brennen.« Er zeigte mit dem Kinn auf die neuen Becher. »Eine neue Glasur, die wir gerade ausprobieren. Hübsch, oder?«
    »Die sind wunderschön«, stammelte Meredith. Offenbar war ein Themenwechsel ihre einzige Chance auf ein Gespräch.
    »Wir fahren jetzt nach Hause«, sagte ihr Vater. »Aber wir melden uns, sobald alles wieder … sobald sie sich wieder beruhigt hat. Aber wer weiß, vielleicht brauchst du uns ja gar nicht mehr als Gesprächspartner, sondern redest lieber mit unseren Computersimulationen. Vielleicht stören wir dabei bloß.« Er küsste Meredith und folgte seiner Frau aus der Tür.
    Meredith blieb eine halbe Stunde lang mit in die Hände gestütztem Kopf sitzen. Sam kochte Kaffee und füllte ihn in die neuen Becher.
    »Das lief ja nicht so gut«, sagte Meredith schließlich.
    »Nein«, gab ihr Sam recht.
    »Wir hätten den Computer einfach ausschalten sollen, als meine

Weitere Kostenlose Bücher