Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)
Entfernung ausgelösten Wahnsinn hätten sie vielleicht länger i n jener Phase verweilt, in der man sich kennenlernt, sich rarmacht, kokettiert. Vielleicht hätten sie sogar mit dieser Phase weitergemacht, wenn er nicht bei seiner Rückkehr mit einer Tragödie und der unausgesprochenen Forderung konfrontiert gewesen wäre, entweder zum festen Freund aufzusteigen oder für immer das Weite zu suchen. Er hatte sich natürlich mit Freuden für den Aufstieg entschieden. Das Ganze war wie eine Abkürzung zur festen Beziehung gewesen, zum Kennenlernen der Eltern, zu guten und zu schlechten Zeiten, in denen er sich als geeigneter Dauerfreund erweisen durfte. Und selbst danach hätten sie vielleicht wieder einen Gang oder sogar mehrere zurückgeschaltet, wenn da nicht diese Wohnung gewesen wäre, in der Meredith unbedingt wohnen wollte, aber auf keinen Fall allein. Er beschwerte sich nicht darüber, dass es so gekommen war, ganz und gar nicht, aber seltsam war es schon.
Dass sie für eine Weile abgetaucht war, sich in ihre Trauer und ihre schlechte Laune hineingesteigert hatte, sich verschlossen und Trübsal geblasen hatte, fand er verständlich. Aber jetzt kam alles wieder ein wenig zur Ruhe. Meredith kam zur Ruhe. Sie konnten sich auf ihre Beziehung konzentrieren, konnten lernen, die Wohnung als ihre eigene zu betrachten und nicht als Livvies, konnten wieder einen geregelten Tages- und Wochenrhythmus finden. Sam dachte darüber nach, sich eine neue Arbeit zu suchen. Meredith dachte darüber nach, ob sie nicht zusammen irgendwohin verreisen sollten, natürlich nicht nach Florida, aber irgendwohin, wo es warm war. Sie machten es sich gemütlich – bestellten Essen und verbrachten die Abende zu Hause vor dem Kamin, luden Jamie zum Abendessen ein und suchten gemeinsam Duschvorhänge und Handtücher aus. Als sie es sich eines Abends nach dem Essen auf dem Sofa bequem gemacht hatten, blickte Meredith von ihrem Tee und ihrem Buch auf und sagte: »Vielen Dank übrigens.«
»Wofür?«
»Dass du mir geholfen hast, mich von me iner Großmutter zu verabschieden.«
»Gern geschehen«, antwortete Sam.
»Und weißt du was? Ich liebe dich«, sagte sie.
»Ich weiß«, antwortete er, und das stimmte. Dass sie es gesagt hatte war trotzdem das Beste, was ihm je passiert war. »Ich liebe dich auch.«
Sie hatte sich dafür bedankt, dass er ihr geholfen hatte, sich von ihrer Großmutter zu verabschieden. Nicht dafür, dass er ihr geholfen hatte, mit ihr in Kontakt zu bleiben, oder dafür, dass er ihr ihre Großmutter zurückgegeben hatte, oder dafür, dass er sie wieder lebendig gemacht hatte. Sondern dafür, dass er ihr geholfen hatte, sich zu verabschieden. Sam beschloss, das als gutes Zeichen zu werten, als wahren Segen. Abschied zu nehmen war nicht unheimlich oder ungesund oder falsch oder ausbeuterisch. Sondern menschlich, großmütig, positiv.
Sam empfand diesen Moment als wunderbar, aber rückblickend musste er sich eingestehen, dass er auch der Grund dafür war, dass er – als Dash ihm per Video-Chat seine Idee unterbreitete – nicht einfach sagte: »Dash, du spinnst. Das ist eine totale Schnapsidee. Lass mich bloß damit in Ruhe « oder »D ash, du bist ja irre, das funktioniert nie. Lass mich bloß damit in Ruhe « oder »D ash, du bist ja krank. Das ist nicht richtig. Lass mich bloß damit in Ruhe«. Stattdessen sagte Sam: »Hm, keine Ahnung, interessanter Ansatz. «
»Können wir uns irgendwann zusammensetzen und darüber nachdenken?«
»Klar.«
»Von Angesicht zu Angesicht , meine ich.«
»Klar, k omm doch einfach dieses Wochenende zu uns.«
»Nein, ich buche euch lieber Flüge nach L. A.«, antwortete Dash. » Ein Freund von mir schmeißt morgen eine Beach-Party, die ich auf keinen Fall verpassen will. «
»Eine Be ach-Party? Du willst mich verarschen!« Sam war im Herzen ein Kind der Ostküste geblieben und nahm das Wetter in Seattle – fünf Grad und eine Mischung aus Regen, Schneeregen, Graupel und Schnee – persönlich.
»Gibt’s denn bei euch um diese Zeit keine Beach-Partys mehr?«, fragte Dash betont unschuldig.
»Wir treffen uns morgen früh in L. A. an der Gepäckausgabe «, sagte Sam.
Die Party erinnerte an Fernsehserien, in denen reiche Highschool-Kids in Strandhäusern leben – jede Menge gutes Essen und Alkohol, Musik und schöne Menschen, sternenklarer Himmel und mehrere Lagerfeuer, die dafür sorgten, dass einem gleichzeitig kalt und heiß war. Alle trugen Pullis und Flipflops. Dash mischte
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