Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)
diese Technologie zu bemerkenswert ist, um sie für uns zu behalten. Das käme mir irgendwie egoistisch vor. Das Programm ist ein Wunder, aber bisher findet es nur in unserem Wohnzimmer statt. Wunder sind aber nicht dazu da, sie für sich zu behalten. Man muss sie teilen. Denk nur, wie vielen Menschen wir helfen könnten. Du wärst so etwas wie der Papst.«
»Ich will aber nicht der Papst sein«, protestierte Sam.
»Du hast recht. Der Papst bewirkt keine Wunder, sondern erkennt sie nur an. Du wärst eher so etwas wie der Weihnachtsmann.«
»Rundlich und von Rentieren umgeben?«
»Ein Heiliger und stinkreich.«
»Der Weihnachtsmann ist weder ein Heiliger noch reich.«
»Oh doch, natürlich«, erwiderte Dash. »Er ist der heilige Nikolaus. Und reich muss er auch sein, sonst könnte er sich nicht Geschenke für jede s Kind auf Erden leisten. «
»Nur für die lieben Kinder«, korrigierte ihn Sam.
Dash ignorierte seinen Einwand und seufzte: »Ach super … reich wie der Weihnachtsmann.«
»Ich will eine Villa in Spanien!«, rief Meredith.
»Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist«, sagte Sam.
»Italien?«, fragte Meredith.
»Warum denn nicht?«, wollte Dash wissen.
»Ohne lange nachzudenken? Weil es datenschutzrechtliche, eigentumsrechtliche , urheberrechtliche und patentrechtliche Probleme geben wird. Weil die Kunden sich querstellen werden, weil sie es unheimlich finden werden, weil wir mit ihren Sorgen und Ängsten konfrontiert sein werden. Weil die Leute behaupten werden, dass wir aus Krankheit, Tod und Trauer Kapital schlagen.«
»Aber Probl eme kann man doch lösen«, widersprachen Meredith und Dash gleichzeitig. Die beiden konnten ihre Verwandtschaft nicht verhehlen.
»W enn du dich um die technischen Probleme kümmerst, kannst du uns getrost den Rest überlassen «, fügte Dash hinzu.
» Die Technik ist das kleinste Problem«, behauptete Sam, obwohl er sich da gar nicht so sicher war. In Wirklichkeit erschienen ihm die technischen Probleme unüberwindbar, und er bezweifelte, dass er sie lösen konnte. Noch mehr bezweifelte er allerdings, dass es richtig war, sie zu lösen. »Weißt du nicht mehr, wie deine Mutter reagiert hat, Meredith? Sie war stocksauer. Sie war entsetzt, erschrocken, beleidigt, wütend. Ich dachte, sie springt gleich vom Balkon.«
» Und ich? «, fragte Meredith. »Weißt du nicht mehr, wie es mich getröstet hat? Denk doch nur, was wir für die Leute tun könnten! Wenn Menschen trauern, leidet man zwar mit ihnen mit, weiß aber nicht, was man sagen soll oder wie man ihnen helfen kann. Man sagt ihnen, wie leid es einem tut, und bäckt vielleicht einen Kuchen für sie oder schickt Blumen oder ein bisschen Geld. Aber im Prinzip ist man vollkommen machtlos. Mit dem Programm könnten wir wirklich etwas tun, wirklich helfen. Natürlich können wir den Tod nicht rückgängig machen und auch nicht die Traurigkeit oder die Sehnsucht heilen, aber wir können sie lindern, sie abschwächen. Wir können den Leuten helfen, sich an die Verstorbenen zu erinnern. Wir können ihnen helfen, nach vorne zu blicken und weiterzuleben. Und wir können ihnen helfen, die schlimmste Erfahrung, die das Leben bereithält, ein wenig leichter zu nehmen.«
»Deine Mutter wollte das Programm nicht nur nicht benutzen«, sagte Sam. »Sie war wütend darüb er, dass es überhaupt existiert.«
»Das ist nicht ihre Entscheidung«, antwortete Meredith schlicht. »Wenn jemand das Programm nicht gu t findet, muss er es ja nicht nutzen. Aber denk doch nur, wie sehr wir all den anderen Menschen helfen könnten! «
Sie waren ganz durcheinander und schwindelig vor lauter Möglichkeiten und von der tosenden Brandung und dem Wind in ihren Haaren und dem Sand zwischen ihren Zehen. Irgendein Partygast hatte eine Zusammenstellung alter Schmusesongs aus Schulzeiten mitgebracht, woraufhin sich bald alle paarweise zusammenfanden und nachahmten, wie steif sie in der achten Klasse getanzt hatten und wie unbeholfen sie sich als Teenager unterhalten hatten. Insgeheim waren alle dankbar, diese Zeiten hinter sich zu haben. Dash verschwand, um mit SL zu knutschen, und Sam zog Meredith näher an sich heran, als es der dreizehnjährige Sam je gewagt hätte. Ihre Haut duftete wie das Meer, und das Meer duftete auch wie das Meer, und sie bewegten kaum die Beine, sondern hielten sich nur fest umschlungen, von Kopf bis Fuß aneinandergeschmiegt. Sam spürte, wie sein Herz raste, aber da er noch keine Gefahr witterte, stufte er es
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