Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)
protestierte Sam.
»Das wird schon.«
»Sie biegen sich in die andere.« Er hob ein Hosenbein, um ihr zu demonstrieren, wovon er sprach.
»Lass die Hose wieder runter, Sam. Du schaffst das schon.«
Eine Stunde später war er fast fertig angezogen.
»Gut, und jetzt fahren wir mit dem Skilift.«
»Wie?«
»Das zeige ich dir, wenn wir dort sind.«
»Nein, ich meine, wie kommen wir zum Lift?«
Sie lachte und stapfte davon. Ihm blieb keine andere Wahl, als ihr zu folgen, und eine Viertelstunde später fand er sich wie durch ein Wunder auf einer gefährlich schwankenden Bank wieder, die an schneebedeckten Tannen vorbei in den Himmel aufstieg, durch Luft, die so frisch und sauber und kalt war, dass er beim Ausatmen ein schlechtes Gewissen hatte. Egal, wie hoch sie kamen, unter ihnen erstreckten sich Täler und Ber ge, so weit er blicken konnte. Es war beängstigend.
»Meine Füße sind schwerer als der Rest meines Körpers«, sagte Sam.
»Nein, sind sie nicht.«
»Die reißen mich noch in die Tiefe.«
»Nein, tun sie nicht.«
»Und mein Schweiß hat unter meinem T-Shirt eine dünne Frostschicht gebildet.«
»Es ist eiskalt, Sam. Warum schwitzt du?«
»Aus Panik. Und weil ich eine Stunde gebraucht habe, mich in einer überheizten Hütte in Stiefel zu zwängen, die nach hinten gebogen sind, während du mir jede Kleidungsschicht übergestülpt hast, die jemals auf diesem Planeten produziert wurde. Außerdem mache ich mir immer größere Sorgen, was am Ende dieses Lifts passiert. Man fragt sich also, warum.«
»Warum was?«
»Warum ich so glücklich bin wie noch nie zuvor in meinem Leben.«
»Hypothermie?«, riet Meredith.
»Ich habe es immer gehasst, wenn Freunde gesagt haben: ›Sie ist das Beste, was mir je passiert ist.‹ Menschen sind schließlich kei n Ereignis, das einfach so passiert. Du bist also nicht das Beste, was mir passiert ist, sondern das Beste, was in diesem Universum existiert. Du bist das Beste, was es gibt und je gegeben hat. Mir war nicht mal ansatzweise bewusst, dass man so glücklich sein kann.«
Sie rutschte zu ihm hin, woraufhin der Sessellift wie wild zu schwanken anfing.
»Bist du verrückt?«, kreischte er. »Nur weil ich vor Glück sterben könnte, heißt das noch lange nicht, dass ich auch sterben will.«
»Keine Angst. Die Dinger sind so gebaut, dass sie auch Leuten standhalten, die auf dem Weg nach oben plötzlich beschließen, dass sie knutschen wollen.«
»Bist du dir da sicher?«
»Ganz sicher.«
Er packte den Ringfinger seines rechten Handschuhs mit den Zähnen, um ihn auszuziehen, und berührte dann sanft ihr Gesicht. Er wusste zwar nicht, wie er in Zukunft mit abgefrorenen Fingern tippen sollte, aber er konnte nicht anders. Dann beugte er sich ganz vorsichtig weit genug nach vorn, um sie zu küssen, wobei er versuchte, gleichzeitig zu atmen, im Gleichgewicht zu bleiben und nicht in den Tod zu stürzen. Es war kompliziert und berauschend zugleich. Er küsste sie, bis er Tränen auf seinen Wangen spürte – ihre Tränen – und den Kopf zurückzog, um sie fragend anzusehen.
»Ich bin auch so glücklich«, gestand sie.
Er berührte weiter ihre Wange und presste seine Stirn gegen ihre. »Nicht weinen, Merde. Sonst frieren unsere Gesichter aneinander fest.«
»Damit kann ich leben«, gab sie zurück. Dann rutschte ihm der Handschuh vom Schoß und landete irgendwo tief unter ihnen.
»Scheiße. Und jetzt?«, fragte Sam.
»Jetzt holen wir ihn wieder.«
»Und wie ?«
»Nichts leichter als das«, s agte sie grinsend. »Von hier an geht’s nur noch bergab.«
W as Sam nie erwartet hätte
Je mehr Kunden sich anmeldeten, desto deutlicher wurden Sam die Grenzen seiner Vorstellungskraft bewusst. Er mochte ein Computernerd sein, aber er wusste durchaus, was sich die Menschen von einem Partner wünschten. Und zwar alle, ausnahmslos. Letztendlich wünschte sich jeder bei seinem Partner dieselben Eigenschaften, auch wenn diese bisweilen bizarre Formen annahmen: Er sollte zärtlich, witzig, attraktiv, lustig und intelligent sein und total in einen verliebt. Dass der eine intelligent vielleicht als » Mathematikprofessor « definierte und der andere als »in der Lage, eine Toilette zu reparieren«, dass der eine auf Morgenmäntel oder Ballkleider (oder beides) stand, während der andere Jeans und T-Shirt bevorzugte, dass der eine über Sarkasmus schmunzeln konnte, während der andere sich über Kalauer kaputtlachte, hatte Sam seine frühere Arbeit bei der Partnervermittlung
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