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Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)

Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Frankel
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deutlich vereinfacht. Diese unterschiedlichen Vorstellungen bedeuteten nämlich, dass es genug potenzielle Partner für jeden gab, vorausgesetzt, man wus ste, wo (und wie) man sie suchen musste. Letzten Endes wünschten sich trotzdem alle dasselbe.
    Bei der Kommunikation mit Verstorbenen war das anders. Die Kunden äußerten unendlich viele verschiedene Wünsche, die für Sam unmöglich vorherzusehen waren. Kunde Nummer drei beispielsweise – Eben Westfeldt – absolvierte den gesamten Anmeldemarathon, bezahlte die Gebühr, lauschte den Anweisungen, ließ die Vorbereitungssitzung, Sams Vorträge und die Wartezeit bis zur Konfigurierung über sich ergehen, und das alles nur, um seiner verstorbenen Frau per Video-Chat seine vielen Seitensprünge zu beichten. Er hatte sie ausführlich auf einem gelben Notizblock notiert, eine beeindruckende Liste, die er ihr vollständig vorlas, inklusive Name der Partnerin, Datum und Ort des Seitensprungs. Sogar, wo seine Frau sich zu dem Zeitpunkt befunden und welche Ausrede er ihr hinterher aufgetischt hatte, war penibel festgehalten. Da sie nichts davon geahnt hatte und daher auch kein damit verbundenes elektronisches Gedächtnis vorweisen konnte, reagierte sie nicht sauer. Das Einzige, was ihr als Grundlage für eine Rea ktion zur Verfügung stand, war ein E-Mail-Austausch mit einer alten Freundin, die in einer Bar einen Fremden kennengelernt und mit ihm eine leidenschaftliche Nacht verbracht hatte, während ihr Mann auf einer Konferenz in Austin weilte. Damals hatte Mrs. Westfeldt ihre Freundin bestärkt, da die Ehe seit Langem gescheitert und der Ehemann notorisch untreu gewesen war. Nachdem Eben seine Beichte zu Ende vorgetragen hatte, schloss er das Chat-Fenster, trat zu Meredith und Sam an den Empfangstisch und sagte ihnen, dass sie sein Kundenkonto nun wieder löschen konnten.
    »Löschen ?«, fragte Meredith. »Aber Sie hatten doch erst eine Sitzung.«
    »Reicht vollkommen«, antwortete Eben. »Was für eine Erleichterung, dass ich mir das von der Seele reden konnte.«
    »Sie wissen aber hoffentlich, dass die Reaktion Ihrer Frau nicht real war?« Sam fühlte sich zur Wahrheit verpflichtet. »Sie haben also nicht wirklich ihr gebeichtet, was Sie getan haben. Und verstanden hat sie es auch nicht, weil Sie zu ihren Lebzeiten ein so guter und gründlicher Lügner waren.«
    Meredith wollte schon die Wogen glätten, was jedoch gar nicht nötig war.
    »Das macht nichts«, winkte Eben ab. »Ich bin es losgew orden, nur darum geht es. Puh, ich fühle mich gleich viel besser. Sie beide sind wirklich Genies. Absolute Genies. Dieser Service, den Sie da anbieten, ist der absolute Wahnsinn! «
    Mit Eben hatte Sam nicht gerechnet. Und auch nicht mit Maria Gardner, die E-Mails mit ihrer vor einem Monat verstorbenen Katze austauschen wollte. (»Hat Ihre Katze viele E-Mails geschrieben?«, fragte Dash trocken. »Hat sie lustige Fotos von sich an jeden verschickt, den sie kannte?«) Sam rechnete nicht mit Kunden, die kamen, weil sie Kontakt mit Kurt Cobain aufnehmen wollten, oder mit Usern, die mit ihren Expartnern sprechen wollten, allerdings nicht, weil diese verstorben waren, sondern weil sie sie abserviert hatten. Er rechnete nicht mit George Lenore, der den ganzen Anmeldeprozess nur durchlief, um seine verstorbene Frau zu fragen, wo sie den Schlüssel zum Schuppen versteckt hatte, ob sie wusste, wo die Gebrauchsanleitung für di e Geschirrspülmaschine war, ob er den monatlichen Putzdienst anrufen musste oder ob der automatisch kam, in welcher Apotheke es das Aloe-vera-Gel gab, das er so gerne benutzte, und wie lange eine Kartoffel in der Mikrowelle brauchte. Sie konnte ihm überraschend viele dieser Fragen beantworten.
    Edith Casperson wirkte zunächst eher wie die Art von Kundin, die Sam erwartet hatte – eine trauernde Witwe Mitte sechzig, die ihren kürzlich verstorbenen Mann vermisste –, aber am Tag nachdem Sam ihr Kundenkonto eingerichtet hatte, saß sie im Salon und sagte ruhig und gefasst zu dem Computerbildschirm vor ihrer Nase, dass er sie mal kreuzweise konnte. »Du warst so ein Mistkerl, Bob. So ein verdammter Mistkerl. Ich habe dich geliebt. Ich liebe dich immer noch, aber ein Mistkerl warst du trotzdem. Glaubst du, es hat mir Spaß gemacht, all die Jahre zu Hause zu sitzen und für dich zu kochen und deine Socken zu waschen und deine Hemden zu bügeln und deinen schlechten Atem zu riechen? Glaubst du, es hat mich auch nur die Bohne interessiert, was Marty aus der

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