Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)
vernichtende Tragödie. Du hast das für immer geändert.«
»Kein Wunder, dass du bei uns für PR zuständig bist«, sagte Sam leichthin.
»Wenn die Leute doch nur sehen könnten , wie intelligent du bist! «
»Das ist nicht leicht zu erkennen«, scherzte S am. »Geistige Brillanz wird nie zu Lebzeiten gewürdigt. Nach meinem Tod wird man mich als Genie feiern.«
»Ja, aber dann bist du tot.«
»Und meine Projektion wird sich endlich bestätigt fühlen.«
»Das hilft mir dann aber nichts mehr«, sagte Meredith.
»In Wirklichkeit hilft es mir dann nichts mehr«, verbesserte Sam sie. »Dir hilft es hingegen ganz gewaltig.«
Auf den Anruf, den Meredith von der Seattle Times erhalten hatte, folgten ein Anruf der L. A. Times, ein Anruf der New York Times und schließlich ein Anruf der Times of London (»wenigstens werden die Zeitungen immer renommierter«, sagte Dash), und alle unterstellten sie, RePrise würde den Tod ausschlachten und von Schicksalsschlägen profitieren. »Wir versuchen, den Leuten nach ihrer Trauer wieder ein wenig Freude zurückzugeben«, protestierte Meredith beim ersten Anruf. Beim zweiten sagte sie: »Wir lindern ihren Schmerz und helfen ihnen bei der Trauer.« Beim dritten versuchte sie es mit der Frage: »Haben Sie nicht auch einen Menschen, den Sie so sehr vermissen, dass Sie alles dafür geben würden, noch einmal mit ihm sprechen zu können?« Und beim vierten Anruf erklärte sie schlicht: »Wir vollbringen Wunder!« Beim fünften Anruf nahm Dash ihr das Telefon vom Ohr.
»Hier spricht Dashiell Bentlively. Was kann ich für Sie tun?«
» Hier ist noch einmal Marisha St. James, Times of London. Wie ich bereits zu Miss Maxwell gesagt habe, wird Ihrem Unternehmen vorgeworfen, aus Schmerz, Krankheit, Trauer und Tod Profit zu schlagen.«
»Was Pharmaunternehmen natürlich nie tun würden«, konterte Dash. »Genauso wenig wie die Tabakindustrie, das Militär, Klinikverwaltungen, Beerdigungsinstitute, Sarghersteller, Zeitungen, die Sterbeanzeigen drucken, Onkologen, Schokoladenhersteller, Floristen, Hersteller von Krankenhaushemden, Anwälte, OP-Kittel-Verkäufer, Friedhofsbetreiber, die amerikanische Schusswaffenvereinigung, Lebensversicherungen, Krankenversicherungen, Söldner, Waffenhersteller, Geländewagenhersteller, Rüstungskonzerne, Vampirfilm-Macher, Vampirbuch-Autoren, Päpste, Achterbahnhersteller … «
»Achterbahnhersteller?«, hakte Marisha St. James nach.
»Weil sie einen daran erinnern, d ass man nur einmal lebt und das Leben sehr kurz ist«, erklärte Dash. »Wenn es bereits Ausnutzung ist, sein Geld mit dem Tod zu verdienen, befinden wir uns jedenfalls in guter Gesellschaft.«
Als Nächstes rückte ihnen die religiöse Presse auf den Leib. Die Kirchen verfolgten weltliche technische Entwicklungen natürlich weniger intensiv und brauchten dementsprechend länger, bis sie auf RePrise aufmerksam wurden und ihren Standpunkt dazu gefunden hatten. Sobald das einmal geschehen war, ließen sie allerdings nicht mehr locker. Die Monatszeitschrift Glaube hilft rief eines Morgens um vier auf Merediths Handy an, um nachzufragen, ob es ihr nicht Kopfzerbrechen bereite, die Menschen in die Hölle zu schicken.
»Wohin?«, fragte sie verschlafen.
»In die Hölle.«
»Wer spricht denn da?«
»Eine gute Frage . Mit wem stehen Sie in Kontakt? Mit Jesus oder mit dem Teufel?«
»Danke, kein Interesse«, murmelte Meredith und wollte auflegen.
» Wir verkaufen nichts außer Seelenheil. Sie sind es doch, die mit Fahrkarten in die ewige Verdammnis hausieren gehen.«
»In die was?«, fragte Meredith.
»In die Hölle.«
Sie legte die Hand über den Hörer und rüttelte Sam wach. »Die Christen sind am Telefon. Sie wollen wissen, warum wir die Menschen in die Hölle schicken.«
Sam nahm ihr das Telefon aus der Hand.
»Hier spricht Sam Elling. Bitte rufen Sie uns nicht mehr zu Hause an. Ich lege jetzt auf.«
»A n Ihrer Stelle würde ich das bleiben lassen . Wir haben sechstausend Abonnenten, von denen viele das Wort Gottes in ihren Gemeinden verbreiten. Und alle diese Menschen möchten wissen, warum Sie sie in die Hölle schicken.«
»Und inwiefer n tun wir das?«, fragte Sam seufzend.
»Indem Sie der Hölle ihren Schrecken nehmen. Unsere Gemeindemitglieder sündigen, weil sie keinen Grund mehr haben, es nicht zu tun. Nach ihrem Tod erwartet sie keine ewige Verdammnis, weil es keinen Tod mehr gibt.«
»Sie tun ja so, als hätten wir den Tod abgeschafft«, protestierte Sam. »Die
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