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Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)

Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Frankel
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Zeit«, entgegnete Dash. »Schieß los.«
    »Ich fühle mich echt beschissen«, sagte Meredith und fing wieder an zu weinen. »Die ganze Zeit schon. Ich bin ständig müde. Ich bin ständig traurig. Wenn wir das Richtige tun, warum muss ich es dann ständig vor jedem, der einen Internetanschluss besitzt, verteidigen? Wenn es richtig wäre, würde ich mich dann ständig so mies fühlen?«
    Sam fing an, ihr auseinanderzusetzen, welche Wunder RePrise bewirkte, was für ein Segen es für die derzeitigen Kunden und all die Menschen war, denen sie bereits geholfen hatten und noch helfen würden, aber Dash unterbrach ihn: »Ja, würdest du.«
    »Würde ich was?«
    »Dich so fü hlen. RePrise ist neu, fremdartig, komplex. Es gibt ethische Grauzonen, unerforschtes Terrain. Meinst du, den Leuten, die das erste Videospiel erfunden haben, ging es anders? Oder den Menschen, die das Feuer erfunden haben? Die Dorfbewohner haben damals bestimmt alle geschrien: ›Nein, weg damit! Feuer ist böse!‹ Und der Typ, der es erfunden hat, hat erwidert: ›Nein, ist doch toll. Damit könnt ihr euch sogar im Winter warm halten und Wasser schmelzen, wenn es friert, und euer Fleisch kochen, damit ihr nicht krank werdet, und euch ab und zu mal waschen, denn nichts für ungut, Jungs, aber als Nächstes erfinde ich die Seife, ihr stinkt nämlich wie die Hölle. Und wenn euch das nicht genügt, wartet ab, wie Feuer euer Dorf beschützen wird. Damit könnt ihr sogar im Dunkeln lesen! Ich meine, dazu müssen wir natürlich erst noch die Schrift erfinden, aber trotzdem!‹ Und die Dorfbewohner haben wieder geschrien: ›Die Kinder werden sich verbrennen!‹ Und der Feuertyp hat geantwortet: ›Aber es macht euer Leben doch so viel besser! Warum haltet ihr die Kinder nicht einfach vom Feuer fern?‹ Darauf die Dorfbewohner: ›Uns egal. Lohnt sich nicht. Du bist böse.‹ Woraufhin sie den Kerl – welche Ironie – auf dem Scheiterhaufen verbrannt haben.«
    Meredith musste gegen ihren Willen lachen. »Du hast die Kinder nicht gesehen, Dash.«
    »Ich habe nach dem Mittagessen einen Termin in der Klinik «, gab er zurück.
    »Echt?«
    »Natürlich.«
    »Du hasst Krankenhäuser.«
    »Jeder hasst Krankenhäuser.«
    »Dort ist es besonders schlimm .«
    »Ich weiß. Aber nach meinem Telefonat mit Sam gestern Nachmittag habe ich Dr. Dixon angerufen und einen Termin ausgemacht.«
    »Warum?«
    »Weil es mir wichtig war. Wenn es dich aus der Fassung bringt, geht es mich auch etwas an. Natürlich wirft das alles Fragen auf: Was tun wir da, wie tun wir es und warum? Ich weiß und verstehe, was in der Klinik passiert, aber ich muss es mit eigenen Augen sehen.«
    »Ach, Dash. Das war doch nicht … das ist doch nicht …«
    »Doch, ist es«, unterbrach er sie. »Natürlich ist es nötig.«
    Meredith ging also in den Salon hinunter, und Dash und Sam fuhren in die Klinik und nahmen den Schokoladenkuchen mit, von dem keiner von ihnen einen Bissen hinuntergebracht hatte. Sie stellten ihn in den Aufenthaltsraum der Kinderstation. Während sich Dash mit Dr. Dixon unterhielt, saß Sam dort und versuchte, aufgeschlossen, freundlich und zugänglich zu wirken, für den Fall, dass jemand Fragen an ihn hatte. Die Leute kamen und gingen. Alle sahen völlig fertig und erschöpft aus. Sam selbst hatte auch rote Augen von der durchwachten Nacht, aber diese Eltern waren so bleich, als fließe durch ihre Adern weniger Blut. Sie sahen angewidert und entsetzt aus und kniffen die Münder zu, als wäre es gefährlich, sie zu öffnen, als brächen Sturzbäche aus Erbrochenem, Geschrei, Geheul und Verwünschungen hervor, wenn sie ihre Lippen auch nur einen Spalt öffneten. Mit leerem Blick sahen sie sich an, starrten auf Bücher und Zeitschriften, deren Seiten sie nicht umblätterten, und schwiegen. Sam saß erst eine, dann noch eine Stunde im Aufenthaltsraum. Wenn Leute gingen, wurden sie durch andere ersetzt, die genauso elend aussahen. Sam wäre gerne aufgestanden, hätte sich geräuspert und eine kleine Ansprache darüber gehalten, dass RePrise bei Kindern nicht funktioniere, dass ihm alles so schrecklich, unendlich leidtue und gefragt, ob er ihnen irgendwie helfen könne, aber er brachte weder die Kraft noch die Stimme dafür auf. Auch die Eltern machten nicht den Eindruck, als hätten sie noch Kraft für irgendetwas, aber sie machten trotzdem weiter.
    Sam trat auf den Flur hinaus, setzte sich mit seinem Laptop neben den Getränkeautomaten und startete einen Video-Chat mit

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