Der Allesforscher: Roman (German Edition)
Badegäste rette. Aber was sollte ich tun? Ab einem bestimmten Moment hatte mein Leben begonnen, eine komplizierte Figur zu beschreiben.
Und wie schon einmal erwähnt, im Bad Berg war es nicht leicht zu ertrinken, das Wasser zu seicht und die Disziplin der Gäste beispiellos.
Zu den Besonderheiten dieser Badeanstalt gehörte, daß ein Entenpaar mit großer Regelmäßigkeit das Außenbecken aufsuchte und in der Manier einer gewollten Bruchlandung auf der Wasseroberfläche aufkam, um dann eine Weile zwischen den Badegästen dahinzutreiben. Manche fanden das süß, andere wiederum versuchten, die beiden wegzujagen. Als Bademeister war ich eigentlich dazu angehalten, die zwei Stockenten zu verscheuchen, doch vom Beckenrand aus war das ziemlich unmöglich, und zu diesem Zweck ins Wasser zu steigen wäre absolut übertrieben gewesen. Zudem waren die Enten ein Beweis für die Qualität des Wassers. Denn das gleiche Paar besuchte auch das nahe gelegene Schwimmbad Leuze, um dort zwischen den Liegenden und in der Sonne Bratenden um Futter zu betteln oder verlorene Krumen aufzuklauben, doch soweit ich informiert war, gingen sie dort niemals zum Baden hin. Anders bei uns, wo weniger gebettelt und mehr geschwommen wurde.
Drei Tage nachdem wir von unserem Tirolausflug zurück waren, stand ich nachmittags am Rande des mit Menschen locker bevölkerten Beckens und beobachtete die beiden Enten, wie sie auf der glatten Fläche des von mir kontrollierten Gewässers landeten. Ein älterer Mann mit blauer Badehaube beschwerte sich, hieb ins Wasser und spritzte die Tiere an. Wurde aber von anderen Badegästen aufgefordert, dies zu unterlassen. Es gab ein kleines verbales Hickhack, während die Enten in einen anderen Teil des Beckens wechselten und dort ruhig herumtrieben. Der Enterich allerdings hatte plötzlich Schlagseite. Wie leicht betrunken. Er erinnerte mich an dieses Pferd aus dem Film Cat Ballou – Hängen sollst du in Wyoming , auf welchem … richtig, auf welchem der betrunkene Lee Marvin sitzt, und auch das Pferd ist betrunken und lehnt schief gegen die Wand und … Der arme Enterich hier war aber ohne Wand, kippte um und geriet mit seiner Oberseite unter Wasser.
Weil man von Enten ja kennt, wie sie mit dem Kopf unter Wasser und dem Schwanz in die Höhe gehen, schienen im ersten Moment alle einen normalen, bloß etwas ungeschickten Tauchgang zu vermuten. Aber es war eben doch ganz anders: Nicht der Schwanz war in der Höhe, sondern die Beine. Und dabei blieb es auch. Jemand meinte lachend, das sei wohl eine Zirkusente. Dann aber entwickelte sich eine gewisse Aufregung, die darin bestand, daß die Leute auf das Tier hinzeigten, diverse Rufe und Töne ausstießen, niemand aber es wagte, dem Umgekippten zu Hilfe zu eilen. Wer faßt schon eine Ente an? Und wer kann sich ernsthaft vorstellen, eine Ente könnte ertrinken?
»Herr Sixten!« riefen mehrere Damen.
Sollte ich das Hemd ausziehen? Tun das Bademeister, bevor sie ins Wasser springen? Oder eigentlich nur Männer in Filmen, die jede Situa tion ausnutzen, um ihre nackten Oberkörper zu zei gen? Und war es angesichts eines zu rettenden Entenvogels überhaupt angebracht zu springen, an statt über eine der Treppen ins Becken zu stei gen?
Doch die Treppen waren zu weit weg und jede Rettung verlangt auch eine gewisse Vehemenz.
Ich befreite mich mit einer einzigen zügigen Bewegung von meinem Leibchen und sprang mit einem sehr flachen Kopfsprung ins Wasser, tauchte mehrere Meter, brach kurz durch die Oberfläche, sank wieder tief ein und tauchte unter die Ente.
Obgleich die Sichtverhältnisse in diesem Wasser eher dem eines natürlichen Sees entsprachen, fiel das Licht günstig genug, um klar zu erkennen, wie leblos der Kopf des Erpels »herunterbaumelte«. Das war ganz sicher keine Tauchübung, die der kleine Kerl praktizierte. Ich griff mit einer Hand nach dem Körper, und indem ich hochkam, beförderte ich zugleich das Tier aus dem Wasser, faßte es nun auch mit der anderen Hand und marschierte mit dem regungslosen Wesen an Land. Hinter mir einerseits ein paar besorgte Badegäste, andererseits das Entenweibchen, welches aber nicht etwa drohende Laute von sich gab, sondern eher »vernünftig« schien, einfach nur in der Nähe blieb. Am Beckenrand legte ich den Enterich seitlich auf den warmen Beton.
Und was jetzt? Hat je ein Mensch versucht, eine Ente wiederzubeleben?
Ich stand hilflos vor dem flach dahingestreckten Körper.
»Tun Sie doch was!« mahnte jemand
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