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Der Allesforscher: Roman (German Edition)

Der Allesforscher: Roman (German Edition)

Titel: Der Allesforscher: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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dabei ein Geräusch erzeugte, als steppe ein Tausendfüßer über eine hauchdünne Tanzfläche, sagte er zu mir: »Werde Geburtshelfer.«
    »Meine Güte!« rief ich aus. »Wie soll das gehen?«
    Doch Mercedes behauptete, er habe es eilig. Und schon war er verschwunden.
    Ich rief ihm etwas nach. Dabei reckte ich beide Hände in die Höhe, so daß ich endlich Simons Gesicht freigab. Ich erkannte seine freundlichen Augen. Er sah aus wie immer. Ganz offensichtlich konnte ihm der Wechsel ins Traumland nichts anhaben.
    »Wie hast du geschlafen?« fragte Kerstin über Simons Kopf hinweg.
    Aber das geschah dann schon nicht mehr in meinem Traum. Simon schlief noch.
    Ich sagte, ich hätte gerade eben geträumt.
    »Ich auch«, meinte sie verärgert.
    Ich sah ihrem Gesichtsausdruck an, was sie meinte. Es kam immer wieder vor, daß ich – oder jemand, der mir ähnlich war – in einem ihrer Träume auftauchte und dort grob wurde. Ohrfeigen, Tritte und mitunter ein Beischlaf, den ich mir mit Gewalt nahm. Etwas, das im wirklichen Leben noch nie vorgekommen war und ganz sicher auch nie geschehen würde. Kerstin war die Lana meiner zweiten Lebenshälfte (auch wenn ich es ihr gegenüber niemals so ausdrücken würde). Das Absurde war, daß Kerstin mir gerne vorwarf, welches Verhalten ich in ihren Träumen an den Tag legte. Ich beschwerte mich dann natürlich: »Aber das bist doch du, die das träumt.«
    Worauf sie erwiderte, nicht für alles im Traum sei der Träumende verantwortlich und auch dort bestehe eine objektive Wahrheit.
    »Eine Wahrheit schon, aber …«
    Einmal hatte ich mich dazu verstiegen zu meinen, daß die Vergewaltigung möglicherweise auf einen geheimen Wunsch ihrerseits abziele.
    Sie hatte geantwortet: »Idiotenpsychologie der Männer.«
    Nun, es war einfach schwer, sich gegen etwas zu wehren, was man im Kopf eines anderen Menschen tat.
    So wie auch jetzt.
    Ich sagte: »Schau mich nicht so bös an.«
    Sie schnaufte verächtlich. – Im Grunde war sie ein Morgenmuffel und brauchte halt ihre Zeit, bevor der Ärger über die letzten Minuten des Traums und die ersten Minuten eines neuen Tages verraucht war.
    Nach dem Frühstück brachen wir auf. Wir mußten zurück nach Stuttgart. Montag begann die Schule. Ich bedauerte, daß es sich nicht mehr ausging, noch einmal zum Bergwerk hochzusteigen. Ich hätte Kerstin gerne das Zimmer und den Parkettboden gezeigt. Aber wie es schien, hatte sie das unbedingt vermeiden wollen. Ich denke, sie wollte einfach recht behalten mit der Annahme, ich würde hin und wieder ein wenig meschugge sein und mir Dinge einbilden. Einmal sagte sie: »Ich finde, ein Mann, der mit einem Wal zusammengestoßen ist, braucht nicht ganz normal zu sein.«
    »Ich bin aber normal«, erklärte ich.
    »Ach!«
    Es gibt Achs, mit denen könnte man Atomkerne schmelzen.
    Bevor wir losgingen, gab ich Herrn Mercedes meine Telefonnummer und meine Mailadresse. Ich gestand ihm allen Ernstes, er habe mir im Traum das Leben gerettet.
    »Sie meinen aber nicht«, sagte er, »daß ich darum jetzt verpflichtet bin, Sie auch mal im richtigen Leben zu retten.«
    Ich lachte und versicherte ihm, er brauche sich keine Sorgen zu machen. Ich würde mich nur melden, um ihm hin und wieder einen Gruß zu senden. Vielleicht ein Foto aus dem Bad Berg, wo ich der Meister sei.
    Es war dann aber er, Herr Mercedes, der mich anrief. Drei Wochen später, als ein ausgesprochen warmer September dem Ende zuging und kurz nachdem sich Simon seinen ersten Titel im Sportklettern geholt hatte. Mein Wunderkind.

27
    Vorher aber geschah es, daß ich, als der Bademeister, der ich war, tatsächlich jemanden vor dem Ertrinken rettete. Allerdings doch ganz anders, als ich mir das vorgestellt hatte. Ich rettete weder eine herzkranke Seniorin noch einen von den Bodybuildern, die an heißen Tagen durch das lenden-, nabel- oder brusthohe Wasser flanierten und immerhin in die Gefahr gerieten, einen Hitzschlag zu erleiden. Denn heiß wurde es durchaus in diesen Tagen.
    So anders es auch kam, keineswegs undramatisch.
    Klar, mancher Leser wird jetzt sagen: »Bei dem Kerl ist auch gar nichts normal.« Und kritisieren, daß ich nicht wie andere Leute einfach mit einem fremden Auto zusammenstoßen kann, sondern mir dazu einen Wal aussuche, daß ich im falschen Flugzeug sitzen muß, daß ich nicht Vater werden kann wie andere auch und ein Ausflug aufs Land bei mir in eine Nazistollengeschichte mündet. Und daß ich nicht wie andere Bademeister schlichterdings

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