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Der Allesforscher: Roman (German Edition)

Der Allesforscher: Roman (German Edition)

Titel: Der Allesforscher: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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kleiner Bär?
    Wäre das hier eine Kindergeschichte gewesen oder ein Roman von John Irving, hätte sich jetzt ein Bär ganz gut gemacht. Einer, der nicht reden konnte und darum schwieg. So daß es meine Aufgabe gewesen wäre, ihm das Sprechen beizubringen. Zeit herauszuschinden. Um nicht gefressen zu werden. Ganz auf das Verbindende und Besänftigende der Sprache setzend.
    Ich näherte mich vorsichtig, leicht gebückt.
    Erst in dieser Haltung wurde mir bewußt, noch immer nackt zu sein. Was ich nicht sein wollte, gleich, ob ich einem Bären oder einem Mann gegenübertrat. Darum kehrte ich zurück zu dem zerknitterten Haufen meiner vom Meersalz glitzernden Kleidungsstücke, um mir wenigstens Hose und Hemd anzuziehen.
    Erstaunlich! Auf diese Weise bekleidet, schien mein Augenlicht sehr viel besser zu funktionieren. Ich erkannte die gedrungene Gestalt des Mannes, seine von Falten zementierte Gesichtshaut. Und ich sah vor allem, daß er nicht hockte, sondern stand. Es handelte sich also um einen eher kleinen Mann.
    Erneut rief ich: »Hallo!« Langsam klang es dämlich.
    Und in der Tat erkundigte er sich jetzt, und zwar auf deutsch: »Wie oft wollen Sie eigentlich noch Hallo! sagen?«
    »Na, Sie hätten doch auch sofort antworten können«, beschwerte ich mich.
    »Was soll der Unsinn?« entgegnete er. Und fügte an: »Überrascht Sie wohl, mich lebend zu sehen.«
    Die Stimme war mir gleich vertraut erschienen. Der selbstbewußte und anklagende Ton. Wie auch der Umstand einer wie von hundert heißen Sommern gebräunten Haut. Nur wirkte das Gesicht jetzt sehr viel älter, zerfurchter. Zudem war mir der Mann, als er neben mir im Flugzeug gesessen hatte, um einiges größer vorgekommen. Offenkundig gehörte er zu jenen, denen eine gewisse Korpulenz im Sitzen eine Mächtigkeit verlieh, die sich im Stehen relativierte. Ein Sitzriese, der zum Stehzwerg wurde. Und umgekehrt.
    »Sie haben sicher gedacht«, sagte der Mann, »ich sei krepiert.«
    Ich erwiderte: »Um ehrlich zu sein, gedacht hab ich vor allem an mich selbst.«
    »Das stimmt nun aber wirklich«, meinte er drohend, »dafür waren Sie sogar bereit, mich zu opfern, Freundchen, was?«
    »Opfern? Wie soll ich das verstehen?«
    »Stellen Sie sich nicht dumm. Sie haben mich k.o. geschlagen und mir die Schwimmweste geklaut. Und dann haben Sie mich absaufen lassen.«
    »Also nein, so stimmt das nicht. Ich habe nur versucht, mich irgendwo festzuhalten. Es war ganz sicher keine Absicht.«
    »Dann war’s auch keine Absicht, sich nachher die Schwimmweste überzuziehen, was?« Er zeigte hinüber auf das gelbe Stück am Boden, auf das ich die Nacht über meinen Kopf gebettet hatte.
    Erneut erklärte ich, ich hätte niemals im Sinn gehabt, ihm zu schaden.
    »Sondern?«
    »Ich war in Panik«, sagte ich.
    »Die Leute, die Geiseln nehmen und dann beim Ansturm der Polizei ihre Geiseln erschießen, die sind auch in Panik. – Das können Sie dann gerne dem Richter erzählen, wie Sie in Panik an diese Schwimmweste gelangt sind.«
    »Wollen Sie mir drohen?« fragte ich ihn, nun wirklich verärgert. Einen Moment lang hatte ich überlegt, ihn um Verzeihung zu bitten. Ihm meine Hand anzubieten. Und meine Hilfe. Meine Hilfe für das, was jetzt noch folgen mochte. Noch trieben wir in einer Tonne mitten auf dem Meer. Und kein Geräusch, welches nahende Hubschrauber und Schiffe ankündigte, darum … Doch wenn einer anfing, mit der Justiz zu drohen, und sei es unterschwellig, dann legte sich bei mir ein Hebel um. – Diese Leute, die ständig und überall kundtun, ihren Anwalt einzuschalten, sind die neue Pest. Ein ganzer Berufszweig lebt in der unnötigsten Weise von ihnen. Es gibt dreimal so viele Anwälte, wie wir bräuchten, weil eben genau diese Typen existieren, die keine Klage auslassen.

    Kein Wunder darum, daß der Zehn-Millionen-Mann auf meine Frage, ob er mir drohen wolle, auflachte, häßlich auflachte, und verkündete: »Na, das kann man wohl sagen, junger Freund. Sie haben einfach das Pech gehabt, daß ich das Gegenteil von einem Nichtschwimmer bin. Ich war für mehrere Streitkräfte als Taucher tätig. Ein Froschmann, wie man früher sagte. – Ich kann schwimmen. Ich kann die Luft anhalten. Ich kann es richtig. Sogar, wenn ich bewußtlos bin.«
    Keine Ahnung, wie ich mir das mit der Bewußtlosigkeit vorstellen sollte. Oder war das nur als Bild gemeint? Jedenfalls folgerte ich: »Ein Söldner also.«
    Der Mann lachte erneut. »Wenn Sie meinen, mich mit diesem Wort beleidigen zu

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