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Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman

Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman

Titel: Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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nein«, beharrte Pratt. »Das Silver Gulch Saloon and Casino wurde vom Staat Mississippi zugelassen und ist dessen Verordnungen unterworfen. Wenn wir auch nur eine Sekunde lang den Eindruck eines kriminellen Unternehmens machten, würde uns der Staat die Betriebslizenz auf der Stelle entziehen. Wir werden doch das ganze verfluchte Business nicht in Gefahr bringen, indem wir wegen der lumpigen paar Dollar, die Lawrence Kind uns schuldete, einen Mord begehen. Und ich persönlich werde erst recht niemanden umbringen, denn wegen der Spielschulden muss ich meinen Kopf eh nicht hinhalten. Ich hab Kind den Kredit nicht genehmigt, sondern, nachdem der Versager aufgeschlitzt worden war, nur ein paar Leuten etwas Druck gemacht, bei denen es sich zu lohnen schien.«
    »Grandpa, der Mann fährt einen schwarzen Chevy Malibu. Er muss der Killer sein.«
    »Jesus Christus«, sagte Pratt. »Wenn ich so ein ruchloser und mordlüsterner Gangsterboss wäre, hätte es dieser kleine Schwanzlutscher hier fertigbringen können, mich windelweich zu prügeln und mich anschließend in den Kofferraum meiner eigenen Scheißkarre zu verfrachten?«
    Was Pratt sagte, klang in meinen Ohren wie die Wahrheit. »Die Welt ist voller Chevys«, sagte ich meinem Enkel.
    Mir kam der Gedanke, dass Tequila Steinblatt getötet haben und dann direkt nach Tunica gefahren sein könnte, um sich Pratt zu holen. Aber ich versuchte, diese Gedanken aus meinem Kopf zu verbannen. Ich kannte meinen Enkel. Ich wusste mit absoluter Gewissheit, dass er diese Leute nicht umgebracht hatte.
    Es gab auf jeden Fall noch andere plausible Szenarien. Pratt oder Feely oder Felicia mochten ihre persönlichen Alibis haben, aber jeder von ihnen konnte auch über einen Komplizen verfügen; zwei von ihnen konnten zusammengearbeitet haben, oder einer hatte die Dienste eines Auftragskillers genutzt. Angeheuerte Gangster verrichteten ihre Arbeit normalerweise nicht im blutigen Psychokiller-Stil, aber wenn das Geld stimmte, waren die meisten Dinge verhandelbar.
    Selbst wenn sich Tequila keinen Mord hatte zuschulden kommen lassen, war die Verschleppung von Pratt mit einem ziemlich weit gefächerten Strauß krimineller Vergehen geschmückt: mindestens Kidnapping, schwerer Autodiebstahl, Körperverletzung. Und er hatte Pratt über Staatsgrenzen transportiert, weswegen das FBI hinter ihm her sein würde. Er hatte zudem eine Waffe benutzt, weswegen er zusätzlich auch noch nach Bundesgesetzen angeklagt werden könnte. Insgesamt drohten ihm drei oder vier Jahrzehnte Gefängnisaufenthalt.
    Solange der wahre Mörder noch frei herumlief und solange wir im Besitz von Heinrich Zieglers Schatz waren, befanden sich Menschen, die ich liebte, in Gefahr. Ich durfte jetzt keine Risiken mehr eingehen. Und ich musste Tequila schützen.
    Ich seufzte. »Erinnerst du dich, dass du mich gefragt hast, ob ich jemals einem Mann etwas angehängt habe, um einen Fall so abzuschließen, wie es mir gefiel?«
    »Ja?«
    »Also, ich hab das bisher nie wirklich getan. Aber es sieht ganz so aus, als würde ich es jetzt tun. Geh und hol das Gold vom Dachboden.«
    Was ich nicht vergessen will:
    Nachdem ich das Todeslager Chełmno verlassen hatte, fand ich eine feuchte kleine Schankwirtschaft im Untergeschoss eines alten Gebäudes in Lodz. Ich setzte mich auf einen wackligen Hocker, um meine düstere Stimmung in saurem, trübem Wodka zu ertränken.
    Nur noch ein weiterer Zechbruder saß in der Kaschemme, ein Pole mit hängenden Schultern, dem die vielen Jahre harten Lebens tiefe Furchen ins Gesicht geschrieben hatten. Er sah mich eine Weile an, und dabei schimmerten seine milchiggelben Augen im Lampenlicht des Raums wie Phosphor. Ich schenkte ihm keine Beachtung, aber er kam trotzdem herüber, um mit mir zu sprechen.
    » Amerikaner?«
    Ich nickte, ohne mich ihm zuzuwenden.
    »Gut für Sie«, sagte er auf Englisch. »Ich hasse die Deutschen. Sie sind schlimme Lügner.«
    »Sie sind schlimme alles Mögliche«, sagte ich.
    »Ich bin Krzysztof«, sagte der Betrunkene.
    »Buck.«
    »Ah. Book. Gefällt mir. Ist prima amerikanischer Name. Wie Cowboy.«
    »Stimmt.«
    »Die Deutschen haben nicht solche Namen.«
    »Wird wohl so sein.«
    »Deutsche kommen mit großem Versprechen. Arbeite für uns, Krzysztof. Sei Polizist. Und ich geh arbeiten für sie. Ich mache Polizist für sie. Und jetzt? Bin ich was? Wieder ganz normale Bauer, so wie ich war, bevor sie gekommen, nur jetzt viel schlimmer. Nichts will wachsen, nicht mal Kartoffeln. So

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