Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman
keinesfalls wünschen, die Zeit für eine letzte Zigarette ungenutzt vertan zu haben. Was die Glimmstängel betrifft, hab ich nämlich noch eine Menge nachzuholen.«
Ich hustete.
»1974 habe ich aufgehört, die Dinger zu rauchen. Ich dachte mir, wenn ich so weitermachte, würde die Angewohnheit mich mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit umbringen. Ich wollte aber das Jahr 2000 erleben. Ich wollte meine Enkel aufwachsen sehen. Jetzt habe ich all das gesehen, und es war enttäuschend. Dreißig Jahre habe ich damit vergeudet, saubere Luft einzuatmen. Als mein Sohn starb, ging ich sofort in einen Laden und kaufte eine Stange Luckys.«
Ich hielt inne.
»Bin nicht sicher, was das mit Jim zu tun hat, äh. Ich schätze, wenn man in mein Alter kommt, ist es nicht immer leicht, Gedankengängen zu folgen. Jim und ich waren Kriegskameraden.Wir waren gemeinsam in einem Gefangenenlager der Nazis. Schlimmeres ist mir im Leben nicht geschehen. Ich hätte dort beinahe mein Leben gelassen. Nicht mal den meisten Menschen, die ich hasse, würde ich den Aufenthalt in einem Nazigefängnis wünschen. Aber ich bin froh, dass Jim bei mir war.«
»Weil er Ihnen in dieser dornenreichen Zeit eine Stütze war«, sagte Kind.
»Sicher, sicher«, sagte ich. »Wissen Sie, allein schon wegen seiner Liebe zu den simplen Freuden des Lebens. Wie zum Beispiel einem kalten Bier an einem heißen Sommertag.
»Ja. Genau!«, sagte Kind.
»Natürlich gab es in einem Gefängnis der Nazis kein Bier.«
Kind schickte mir einen bösen Blick.
»Und auch keinen knusprigen Frühstücksspeck.«
»Anzunehmen.«
»Was ich sagen will – Jim Wallace war mein Freund, und er wird mir fehlen«, schloss ich.
»Danke Ihnen, Buck«, sagte Kind mit einer Warmherzigkeit in der Stimme, die ich nicht verdient hatte. Jeder, der sich so liebenswürdig gab, führte garantiert etwas im Schilde.
Ich stieg vom Podest, froh, den Auftritt hinter mir zu haben. Aber als ich meinen Sitz erreichte, sah mich Rose nicht gerade freudestrahlend an.
5
Gewöhnlich steht für eine Beerdigungsprozession eine Polizeieskorte zur Verfügung, und ich brauche mich auf dem Weg zum Friedhof um rote Ampeln nicht zu scheren, aber Jims Trauergemeinde war dafür zu klein. Ich war enttäuscht. Auf dem Friedhof standen wir stumm da und sahen zu, wie man den Sarg in die Erde senkte. Es war ein grauer, regnerischer Morgen. Das Wetter passte zum Anlass.
Auf dem Weg zum Friedhofstor holte Norris Feely mich und Rose ein. Ich wäre am liebsten getürmt, aber leider bin ich nicht mehr so gut zu Fuß.
»Sehr nett von Ihnen, heute zu uns zu sprechen«, sagte er, kniff dabei die Augen aber zusammen, dass es nicht so aussah, als hielte er mich wirklich für sehr nett.
»Jim und ich hatten eine lange gemeinsame Vergangenheit«, erwiderte ich und ignorierte die unterschwellige Botschaft. »Nochmals mein herzliches Beileid zu Ihrem Verlust.«
»Emily ist immer noch ziemlich am Boden wegen ihres Vaters.«
»Tut mir sehr leid, das zu hören«, sagte Rose. »Können wir irgendetwas tun?«
»Ich will nur sicherstellen, dass sie in Jims Sinne bedacht wird.«
»Sehr anständig von Ihnen«, sagte ich. »Dann wollen wir Sie mal nicht länger davon abhalten.«
»Auch deswegen wollte ich mit Ihnen sprechen. Ich bin nämlich der Überzeugung, dass Emily Anspruch auf einen Teil von dem vielen Gold hat.«
»Ich versteh nicht, wovon Sie reden, Feely«, sagte ich.
»Ach, hören Sie doch auf mit dem Scheiß«, sagte er. »Ich weiß alles über den Schatz.«
»He, ich dulde nicht, dass Sie in Gegenwart meiner Frau zu derartigen Ausdrücken greifen. Und ich besitze kein Gold. Sie scheinen da völlig abwegige Ansichten zu haben, was Juden betrifft.«
»Sie sind nicht der Einzige, mit dem Jim seine Geheimnisse geteilt hat, und ich weiß, dass er Sie auf Ziegler angesetzt hat. Wenn Sie auf die Jagd nach ihm gehen, will ich dabei sein.«
Als Cop lernt man sehr bald, dass Menschen, die so reden, als spielten sie in einem Film mit, bestenfalls nutzlos sind, wenn nicht gar lästig. »Wenn Sie einen Teil von Zieglers Gold möchten, sollten Sie sich am besten mit Ziegler selbst in Verbindung setzen«, riet ich ihm.
»Ich weiß ja nicht, wie ich ihn finden soll«, stammelte Norris.
»Das ist dann ja Ihr Problem«, sagte ich. »Lassen Sie mich wissen, zu welchem Ergebnis Sie gekommen sind.« Ich war ja selbst durchaus neugierig, wie man die Nadel im Heuhaufen finden sollte.
»Jim hat mir gesagt, wenn Sie rausbekämen, dass
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