Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman
Mann. Er fehlt mir.«
Sein übermäßiges Bemühen, diesen Aspekt klarzustellen, ließ darauf schließen, dass es ihm hauptsächlich ums Geld ging, was ich eh wusste. Aber zumindest war er so anständig, zu einer Lüge zu greifen.
Ich zündete mir eine Zigarette an. »Vergessen Sie das Gold«, riet ich ihm. »Kümmern Sie sich um Ihre Frau.«
Er senkte den Kopf, brabbelte irgendwas, das auf Kapitulation schließen ließ, und ging davon, immer Emilys Schluchzen nach. Aber ich wusste, dass der Kerl zu stur und zu raffgierig war, um sich allzu lange von einem Appell an Vernunft und Anstand zurückhalten zu lassen.
6
Kaum waren wir runter von Friedhofsparkplatz, durchbohrte mich Rose mit einem so strengen Blick, dass ich sofort wusste, was mir blühte.
»Buck, wovon hat der Mann gesprochen?«
»Weiß ich auch nicht.« Ich machte eine abfällige Geste. »Wahrscheinlich verrückt im Kopf. Mach dir keine Sorgen.«
Sie sah mich immer noch durchdringend an. Abgesehen vom rhythmischen Kratzen der Wischer auf der Windschutzscheibe war es still im Auto.
»Buck, denkst du, ich glaube dir noch irgendwas, wenn du erzählst, was für ein leichtes Leben man als mittelmäßiger Detective hat?«
»Dieser Teil war zu einhundert Prozent wahr. Mein Problem war nur, dass ich’s nie geschafft hab, mittelmäßig sein zu wollen.«
Sie musterte mich besorgt. »Du lässt dich doch nicht in irgendwas verwickeln?«
Rose anzulügen war zwecklos. Sie hatte zu lange Zeit gehabt, meine Eigenheiten zu studieren.
»Ich bin in gar nichts verwickelt. Jim Wallace hat mir kurz vor seinem Tod erzählt, dass Heinrich Ziegler, der Nazi, aus Deutschland entkommen ist. Ich würde ihn schon gerne finden, weißt du, um ihm sein Gold abzunehmen.«
Rose trommelte mit den Knöcheln gegen die Innenseite der Scheibe. Das tat sie immer, wenn sie sauer war. »Nazis haben kein Gold, Buck. Du verwechselst die mit den Leprechauns.«
Da hatte sie nicht ganz unrecht. Wenn ich es laut aussprach, kam mir die Idee, dem Nazigold nachzujagen, jedes Mal lächerlichervor. In meinen Gedanken jedoch ergab es Sinn und wurde zu einer Aufgabe, die ich angehen musste.
»Was willst du also tun?«, fragte Rose. »Diesen Mann fangen, nach all den Jahren, in denen es niemandem gelungen ist?«
»Schätze schon. Ich hab ja nichts Besseres zu tun.«
»Du kannst doch nicht nach Europa oder Südamerika oder Ägypten losziehen, um einem Phantom nachzujagen. Wie sollen wir denn dort sicherstellen, dass du deine Medikamente regelmäßig nehmen kannst?«
»Weiß ich nicht. Ich bezweifle sowieso, dass wir genügend Hinweise sammeln, um außerhalb von Memphis weiterzusuchen. Die Spur ist kalt.«
»Auch wenn du nichts findest, wirst du es auf deiner Jagd nach Nazis und irgendeinem Goldschatz früher oder später mit unangenehmen Leuten zu tun kriegen.«
Ich lachte. »Mit wem? Mit Feely vielleicht?
»Buck, du findest doch immer einen gefährlichen Kerl, dem du auf die Füße treten kannst.«
»Ich mag es eben, die Sache spannend zu halten. Und sowieso hab ich im Umgang mit gefährlichen Kerlen immer ein gutes Händchen bewiesen.«
»Vielleicht ist dein Händchen jetzt nicht mehr so, wie es war«, sagte sie.
Der Gedanke war mir durchaus auch gekommen. »Das Beste am Sterben, meine Süße, ist, dass man nur noch zu einem einzigen Begräbnis auftauchen muss.«
Für besonders witzig schien sie die Bemerkung nicht zu halten. »Buck, frag dich mal, ob es dir wirklich darum geht, wem du hinterherjagst, oder eher darum, wovor du davonläufst?«
Darauf konnte ich ihr keine Antwort geben.
Rose und ich mussten unseren einzigen Sohn vor sechs Jahren beerdigen. Er wurde zweiundfünfzig und ist nicht mehr da. Wir sind immer noch da. Ich war früher ein harter Bursche. Unerschütterlich wie eine Felswand. Aber Wind und Regenkönnen sogar Granit zersetzen, es ist nur eine Frage der Zeit. Egal, für wie knochenhart man sich hält: Wenn man lange genug lebt, wird man früher oder später matschig.
Der Regen prasselte unablässig auf das Dach unseres Wagens, und wir legten den restlichen Heimweg wortlos zurück.
Was ich nicht vergessen will:
Heinrich Ziegler wuchs in einem kleinen Dorf in Bayern auf, in einem Häuschen mit Schieferdach, gemauerten Wänden und Ausblick auf die Voralpen. Wahrscheinlich hätte man es bezaubernd nennen können, aber als ich nach dem Krieg dort eintraf, war ich nicht in der Stimmung, mich bezaubern zu lassen.
Ich schlug so heftig gegen die Tür, dass sie in
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