Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman
beträchtliche Körpermasse in einen knallharten rechten Haken.
»Du wirst sterben, wenn ich dir befehle zu sterben«, zischte er.
Mein Kopf war gerade noch so klar und meine Reflexe waren eben schnell genug, dass ich es schaffte, ein wenig zur Seite auszuweichen. Seine Hand glitt seitlich von meinem Kopf ab, statt mich mitten im Gesicht zu treffen.
Da er durch den Schlag etwas Gleichgewicht verloren hatte, konnte ich einen Arm um seinen Hals schlingen. Er schien zu wissen, wie man boxte, und dachte wohl, daher auch zu wissen, wie man kämpfte. Ich presste ihm den Daumen meiner gesunden Hand ins Auge, um ihm den Unterschied zu zeigen.
Ich hörte ihn aufheulen, aber mich an diesen kräftigen und sich windenden Todfeind zu klammern, war unerträglich schmerzhaft. Ich spürte, wie die Schorfkruste über meinen Wunden aufbrach, weil ich mich verzweifelt krümmte. Ich missachtete den Protest meines Körpers und schloss meinen Arm fester um Zieglers Kehle. Ich hoffte, ihm die Luftröhre abklemmen zu können und ihn dadurch so zu strangulieren, dass er ohnmächtig wurde. Mit einem Arm um seinen Hals und meineranderen Hand in seinem Auge konnte er ungehindert meinen Bauch bearbeiten, aber seine Beine fanden auf dem glitschigen Matschboden keinen Halt, und ich hielt ihn so eng an mich gepresst, dass ihm kein Raum blieb, richtig auszuholen und mich wirkungsvoll zu treffen. Hinter seinen kurzen Schlägen steckte kaum Kraft. Ich hätte ihm ein Ende machen können, wenn er mir nicht mit den Fingern über den Rücken gekratzt und vom Nacken bis zur Arschritze alles aufgerissen hätte.
Ich stieß einen gellenden Schmerzensschrei aus und ließ ihn fallen. Er rappelte sich schnell wieder auf und traf mich zweimal. Einer der Schläge war ein massiver Treffer, und mein Kopf knickte nach hinten weg. Ich holte aus, und wir strauchelten beide und stürzten zu Boden. Es gelang mir, einen Stiefel aus dem schmatzenden Matsch zu befreien, und ich pflanzte ihm meinen Fuß mitten auf die Brust. Er kippte zurück in den Morast, und ich richtete mich wieder auf.
Ziegler rief etwas auf Deutsch. Ich hörte einen einzelnen Schuss von einem der Wachtürme, und dann spürte ich in meiner rechten Schulter einen beißenden Schmerz explodieren.
Ich versuchte, meinen verletzten Arm zu heben, aber er reagierte nicht. Er war nur noch totes Fleisch, das an meiner Seite hing. Blut strömte wie ein heißer Sturzbach aus mir heraus, und mit ihm versiegte auch meine Kraft. Ich sank auf die Knie.
Er kam auf die Beine und drehte sich schnell zu meiner ungeschützten Seite.
»Zum Teufel«, sagte ich.
Seine Faust traf meinen Kopf, und ich konnte absolut nichts dagegen tun. Also schlug er noch mal zu und traf wieder. Die Welt verschwamm vor meinen Augen, und der Boden kam auf mich zugerast, um mir einen Gute-Nacht-Kuss zu geben. Danach erinnere ich mich an gar nichts mehr, bis ich in einem Krankenhaus aufwachte. Inzwischen war es November.
25
Was Kriminellen und Schurken blüht, die sich der Gerechtigkeit entziehen und es schaffen, nicht entdeckt zu werden, ist dasselbe, was auch alle anderen erwartet. Das Altern.
Josef Mengele, der irre Arzt von Auschwitz, fand Vergnügen daran, Kindern Chemikalien in die Augen zu injizieren und eineiige Zwillingspaare zu töten, um sie anschließend zu sezieren. Amerikanische Soldaten nahmen ihn 1949 gefangen, aber es gelang ihm, falsche Entlassungspapiere zu organisieren und nach Südamerika zu entkommen. Bis 1979 blieb er denen, die ihn jagten, immer einen Schritt voraus. Dann ging er eines Tages im Ozean schwimmen. Etwas platzte in seinem Gehirn, er verlor das Bewusstsein und ertrank.
Alois Brunner war der Sancho Panza zu Adolf Eichmanns Don Quijote. Er war persönlich dafür verantwortlich, dass einhundertvierzigtausend Menschen in die Gaskammern geschickt wurden. Brunner entkam aus Deutschland mit Hilfe eines gefälschten Passes des Roten Kreuzes nach Syrien, wo er als »Ratgeber der Regierung« mit der Aufgabe betraut wurde, den Arabern das Foltern beizubringen. Der Mossad schickte Brunner 1961 und 1980 Briefbomben, bei deren Explosion er Finger verlor. Er wurde niemals gefasst, und niemand weiß, ob er eventuell noch lebt. Zum letzten Mal wurde er 1992 gesehen, und zwar von verlässlichen Zeugen. Er ist wahrscheinlich tot, und wenn nicht, ist er hundert Jahre alt, und das dürfte so ziemlich dasselbe sein.
Das Alter hatte auch Henry Winters nicht verschont. Die Schwester hatte ihn gewaschen, ihm saubere
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