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Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman

Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman

Titel: Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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hätte nicht mehr alle Tassen im Schrank. Ich wollte eine Waffe tragen und einen gefährlichen Mann jagen, der auf der Flucht war, und ich wollte ein allerletztes Mal meinen Stiefelabsatz auf den Kehlkopf der Ausgeburt des Bösen setzen. Ich wollte beweisen, dass Buck Schatz nicht zu denjenigen gehörte, die sich durch eine »Akute Sturz-Episode« oder eine »Kognitive Beeinträchtigung« unterkriegen ließen.
    Doch als ich den brutalen und unbarmherzigen Heinrich Ziegler vom Alter bezwungen vor mir sah, löste sich in Luft auf, was ich mir vorgemacht hatte; ich war ein Feigling. Ich benutzte die Verfolgung dieses Mannes als Entschuldigung dafür, dass ich vor den Problemen floh, die ich nicht bewältigen konnte: Roses Verletzung und meine ganz persönliche Sterblichkeit. Und welch grausame Ironie, dass mein Ausbruchsversuch mich hierhergebracht hatte, wo der Feind, dem ins Gesicht zu sehen ich mich fürchtete, rundherum lauerte, über die Wände kroch, aus den Steckdosen sickerte und die verkümmerte Hülle, die früher einmal Ziegler war, wie eine Flickenpuppe vor mir schwenkte.
    »Halt dich fest«, sagte ich leise zu mir selbst und schob die Hand unters Jackett, um den Knauf meiner Waffe zu berühren. »Halt dich an etwas wirklich Überzeugendem fest, etwas, das dir alle vom Leib hält, die dir nach dem Leben trachten.«
    »Grandpa?« Tequila sah mich fragend an; er schien nicht mehr zu wissen, worum es bei unserem Ausflug ging. Er wusste womöglich gar nicht, welche Handlung von mir zu erwarten war. Trotz der Spannungen zwischen uns vertraute er jedoch vorbehaltlos darauf, dass ich stets das Richtige tat.
    War ich hergekommen, um den Mann zu töten? Wie könnte ich? Wenn es mir doch so vorkam, als blickte ich in einen verdammten Spiegel, wenn ich ihn ansah.
    »Wie läuft’s so, Heinrich?«, fragte ich. »Wo bleibt der Kampfgeist?«
    Sein gutes Auge fixierte mich, darin war zu lesen, dass er nichts von dem begriff, was ich sagte. Wir drei sahen einander an und blieben eine ganze Weile stumm.
    »Nein«, sagte ich schließlich. »Nein, Heinrich, ich werde dich nicht umbringen.«
    Ziegler wischte sich mit dem Handrücken den Sabber aus dem Gesicht. »Was sind Sie eigentlich für Leute?«, fragte er. Seine rechte Augenbraue war vor Verwirrung zerzaust. »Können Sie mir helfen, wieder in mein Haus zu kommen?«
    »Tja, wir haben den Mann also gefunden. Schätze, wir haben das hinter uns, weswegen wir gekommen sind«, sagte ich zu Tequila.
    Er verschränkte ungeduldig die Arme. »Das Gold, Grandpa.«
    »Scheiße.« Das Gold. Mehr hatte ich doch gar nicht gewollt. Es war irgendwo da draußen und harrte derer, die sich auf die Jagd gemacht hatten. Ich fragte mich, wie mir der Gedanke daran hatte entfallen können.
    »Erzählen Sie mir von dem Gold, Ziegler«, knurrte ich.
    »Ich will nach Hause«, sagte Ziegler. Er schmollte und reckte sein feuchtes Kinn vor.
    Angewidert schlug ich ihm kräftig ins Gesicht. »Was ist mit dem Gold geschehen, das Sie in Berlin geklaut haben?«
    »Gewinne neue Freunde, aber behalte die alten«, sagte der Nazi. »Der eine ist Silber, der andere Gold.«
    »Vielleicht spricht er von Avram Silver«, gab Tequila zu bedenken. »Oder vom Silver Gulch Casino.«
    »Glaube ich nicht«, sagte ich. »Ist der reine Humbug. Er hat nur noch Matsch im Kopf. Wir kriegen nichts mehr aus ihm raus.«
    Ich sah mich um. Zieglers kleine Wohnung war keine zwanzig Quadratmeter groß. In den Schlafbereich war eine Kochnische mit einigen Schränkchen, einer Stahlspüle, einem kleinen Kühlschrank und einer Mikrowelle integriert. Er hatte sein mit Plastik überzogenes Bett, seinen mit Plastik überzogenen Stuhl und eine Kommode. Einen kleinen Wandschrank.
    Ganz gewiss hatte er hier keinen Schatz versteckt. Finanzierte er davon den Aufenthalt in diesem Heim? Hatte er ihn an einem geheimen Ort versteckt und dann vergessen? Wenn ja, dann war der Schatz verloren. Wir mussten hier irgendeinen Hinweis finden, oder wir waren am Ende unserer Schatzsuche.
    Ziegler rieb sich die Wange, auf die ich ihn geschlagen hatte. »Wer sind Sie eigentlich?«, fragte er. »Warum tut mir das Gesicht weh?«
    »Filz das Zimmer«, forderte ich Tequila auf.
    Er kratzte sich am Kopf. »Filzen?«
    »Durchsuch die Wohnung, verdammt. Und beeil dich, damit du fertig bist, bevor die Schwester zurückkommt.«

26
    Auf einem hohen Regal in Zieglers Wandschrank entdeckten wir Erfolgversprechendes: einen Karton mit Bankpapieren und Krankenakten, diversem

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