Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman
Briefverkehr und einem speziellen Schlüssel in einem braunen Papierumschlag, diskret versteckt unter Kontoauszügen.
»Was kann man denn damit aufschließen?«, fragte Tequila.
»So wie das Ding aussieht, vielleicht ein Bankschließfach«, sagte ich. Dann wandte ich mich an den reichlich abgewrackten Schutzpatron der Judenprügler. »He, Ziegler, haben Sie ein Bankschließfach?«
»Wer sind Sie?«
»Wenn er etwas Wertvolles besitzt, wette ich, dass es in dem Schließfach ist«, sagte Tequila, ohne das sabbernde menschliche Wrack auf dem mit Plastik bezogenen Sessel zu beachten.
»Aber wenn er wirklich das Gold hat, was treibt er dann hier?«, fragte ich. »Warum ist er nicht woanders? Wo er es besser hat?«
»Unter den Pflegeheimen zählt dieses zu den qualitativ besseren«, sagte Tequila. »Es hat den Anschein, als müssten sich die Schwestern hier nur ziemlich kleinen Gruppen dementer alter Leute widmen. Die Heiminsassen haben ihre Privatsphäre, und die Möblierung ist ganz hübsch. Manche andere Heime, in die sie alte Leute stecken, sehen eher aus wie Armeekasernen.«
Wenn man eine halbe Tonne Gold brauchte, um sich in einem Altersheim wie diesem aufbewahren zu lassen, hatte ich ganz schlechte Karten. Es hätte mir gerade noch gefehlt, in meinem Alter in eine Kaserne zurückgeschickt zu werden.
»Hier sind Dokumente, die anscheinend bekunden, dass ersein Haus Meadowcrest Manor überschrieben hat«, sagte Tequila. »Wenn ein Gericht ihn nach seinem Schlaganfall für unmündig erklärt hätte, könnte sein Vormund dieses Heim ausgewählt haben, und sein Vermögen wird für die Pflege verwendet.«
»Und Meadowcrest hat auch den Schatz bekommen?«
»Nee.« Tequila grinste und fuhr sich mit der Zunge über die Zähne. »Wie hätte man davon wissen können? Selbst wenn Ziegler sich irgendwann hätte erinnern können, dass er den Schatz besaß, wäre es wegen der Kriegsverbrecherprozesse ein ziemlich schlimmer Fehler gewesen, irgendjemandem davon zu erzählen. Und seit über einem Jahrzehnt ist er eh nicht mehr in der Lage, ihn wieder in seinen Besitz zu bringen.«
Ziegler war vermutlich nach seinem Schlaganfall hier hängengeblieben. Er war verwundbar und bewegungsunfähig. Allein konnte er sich nirgendwohin begeben. Aber da wäre auch niemand gewesen, dem er ein solches Geheimnis hätte anvertrauen können. Da er keine Chance hatte, an das Schließfach zu kommen oder einen Hehler zu finden, der das Gold zu Geld machen konnte, war der Schatz im Tresorraum der Bank geblieben, bis Zieglers Demenz weit genug fortgeschritten war, um ihn ganz und gar zu vergessen.
»Was machen Sie?«, fragte Ziegler in plötzlicher Empörung darüber, dass Tequila Papiere in seinen Rucksack stopfte. »Ich glaube, die Sachen gehören mir.«
Ich öffnete ein Schränkchen über der Mikrowelle und fand eine Packung Oreo-Kekse. Ich gab dem Nazi ein paar davon. Das beruhigte ihn. Tequila ließ den Rest der Papiere in seinen Rucksack gleiten und den Schlüssel in seine Tasche. Er stellte den leeren Behälter zurück an seinen Platz auf das oberste Regal im Wandschrank und schloss die Tür.
Die Schwester kam ein paar Minuten später vorbei und schaute um die Ecke.
»War es ein netter Besuch?«, fragte sie lächelnd. Ganz kurzstockte mir der Atem, aber Ziegler schien bereits vergessen zu haben, dass wir sein Zuhause durchsucht und seine Sachen eingeheimst hatten.
»Es war ein Erlebnis«, antwortete ich ihr.
Ich verließ die Demenzstation, und Ziegler blieb weiterhin weggeschlossen und verstrickt in ein Netz verblassender und zusammenhangloser Momente. Als die junge Schwarze am Empfang auf ihren Summer drückte, damit wir das Gebäude verlassen konnten, war ich hocherfreut, diesem Ort den Rücken kehren zu dürfen und nicht darin gefangen zu sein wie der alte Nazi. Und ich sagte mir, selbst wenn wir nie seinen Schatz fänden, hätte zumindest diesen Mann das verdiente Schicksal ereilt.
27
Mit den entwendeten Überbleibseln aus Heinrich Zieglers Leben kehrten wir ins Hotel zurück und breiteten alles auf den Tischen in unserer Suite aus, um es näher zu inspizieren. Briefe und Hauptbücher belegten das Leben, das er in St. Louis geführt hatte. Keine Ehefrau, keine Kinder. Acht Jahre nachdem er Jim Wallace bestochen hatte, nahm er 1954 einen Geschäftskredit auf, um einen Juwelierladen zu eröffnen.
»Wenn er einen Goldschatz besaß, warum sollte er einen Kredit aufnehmen?«, fragte Tequila.
»Mit Geld, das nicht koscher ist,
Weitere Kostenlose Bücher