Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman
lang die Sozialversicherungskarte an und warf mir einen skeptischen Blick zu. »Meinst du wirklich, du kannst das durchziehen?«
»Ich hab dreißig Jahre damit verbracht, Mordgeständnisse rauszukitzeln«, sagte ich zu ihm. »Das hier kann nicht viel schwieriger werden.«
Das entlockte ihm ein Lächeln. »Willst du wetten, wie wahrscheinlich es ist, im Fach Gold zu finden?«
»Selbstverständlich ist da Gold«, sagte ich. »Warum sonst sollte ein geflohener Nazi ein Bankschließfach haben?« Wir blieben lange genug stumm, um uns der Möglichkeit bewusst zu werden, dass wir drauf und dran waren, etwas Wahnwitziges anzugehen.
Als uns beim Nachdenken zu mulmig wurde, sagte Tequila: »Magst du heute Abend mit mir und Yael essen gehen?«
Ich konnte mir weniger reizvolle Dinge vorstellen, als meinem Enkel dabei zuzuschauen, wie er mit einer Frau schnäbelt, die er gerade erst kennengelernt hatte. Aber nicht viele.
»Das ist die Dunkelhaarige aus dem Restaurant?«
»Ja. Sie sieht sich hier an der Washington University um, weil sie daran denkt zu promovieren. Verliert sie den Platz auf der Warteliste, geht sie vielleicht an die Columbia.«
»Sehr schön. Was für ein Name ist Yael?«
»Ein hebräischer.«
Mit einem rasselnden Hustenanfall ließ ich den Schleim in meinem Rachen tanzen. »Dachte ich mir’s doch«, sagte ich. »Sie ist also Israelin?«
»Ja. Wieso?«
»Gehen dir da nicht ein paar Warnlichter an? Du weißt schon – es könnte sein, dass Avram Silver und Yitzchak Steinblatt uns bereits jagen.«
Tequila bekam wieder einmal den Mund nicht zu. »Sie ist keine Spionin, Grandpa.«
»Sie mochte dich auf Anhieb. Und das kommt dir nicht verdächtig vor? Du bist nicht besonders sympathisch. Ich kenne dich seit deiner Geburt, und ich mag dich immer noch nicht.«
Er machte sich am Uhrenarmband zu schaffen. »Sie war schon hier im Hotel, bevor wir angekommen sind. Wir hatten keine Reservierung und gar nichts.«
»Silver wusste schon die ganze Zeit, dass Ziegler sich in St. Louis befand. Es wäre für seine Leute ein Leichtes gewesen, vor uns hier aufzutauchen. Und unterschätze ja den Mossad nicht.«
»Sie ist nicht vom Mossad, Grandpa. Sie ist eine Doktorandin. Warum kommst du nicht mit uns essen und überzeugst dich davon, dass es keinen Grund gibt, misstrauisch zu sein.«
Ich schlug mein Merkheft auf und las gleich auf der ersten Seite, was der Arzt mir gesagt hatte,
»Paranoia ist eines der frühen Symptome der Altersdemenz«, flüsterte ich, als ginge es nur mich etwas an.
»Genau«, sagte Tequila.
»Also gut.« Ich gab mich geschlagen. Manchmal waren es vielleicht echte Zufälle. Und Israelis in der Gegend bildeten keine Ausnahme.
28
Fast alle Juden, selbst die wirklich liberalen, hegen zumindest ein gewisses Wohlwollen für den Staat Israel. Er symbolisiert die Entschlossenheit des jüdischen Volkes, den Status einer zweitklassigen Minderheit hinter sich zu lassen, der die historischen Verbrechen wie den Holocaust geschürt hat. Israel ist zudem die letzte Zuflucht im Fall einer durchaus denkbaren Verfolgung in der Zukunft. Und es steht für die Überzeugung der Zionisten, dass der Schutz vor den Kräften, die sich zu unserer Vernichtung verschworen haben, mit jüdischer Souveränität und militärischer Macht gewährleistet werden sollte und nicht von einem herrschenden Regime erbettelt oder erkauft werden dürfe.
Es ist eine Nation aus Menschen wie meinem Urgroßvater, die es satthaben, verbrannt zu werden, und die Fackel selbst in der Hand halten wollen.
Während sich die amerikanischen Juden zu einer angepassten Klasse schlapper Zahnärzte, Buchhalter und Filmprofessoren zusammengefunden haben, sind die Israelis kampferprobte und sandgestrahlte Krieger. Dank Israels politischer Entscheidung für eine allgemeine Wehrpflicht, die für Frauen ebenso galt wie für Männer, konnte jeder Sabra, also jeder gebürtige Israeli, ob Frau oder Mann, einen geländegängigen Jeep fahren und mit einem Gewehr schießen.
Für jemanden wie Tequila war ein hübsches israelisches Mädchen wie ein bestens verschnürtes Päckchen, in dem die ganze Historie und Symbolik steckten und das obendrein noch gevögelt werden konnte. Und Yael war exotisch dunkel, knackigund das totale Gegenteil der mit Milch gepäppelten kleinen Prinzessinnen, mit denen er normalerweise rummachte. Absolut koscher war sie obendrein.
Unter normalen Umständen hätte ich diese Art von Schürzenjagd unterstützt. Romantische Tändeleien
Weitere Kostenlose Bücher