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Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman

Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman

Titel: Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Und das ist auch gut und schön und passt zu Willy Wonka , denke ich. Aber machen wir uns lieber nichts vor!«

29
    Die Filiale von SunTrust, in der wir Zieglers Bankschließfach vermuteten, befand sich in einem großen altmodischen Bankgebäude, ausgestattet mit Marmortreppen und korinthischen Säulen am Eingang und – wie wir hofften – einem sicheren Tresorraum im Untergeschoss. Ganz bestimmt würde es uns nicht gelingen, mit Gewalt oder Erpressung in den Raum einzudringen, und daher fassten wir den Plan, das Bankpersonal derartig zu verwirren, dass sie nicht weiter nachfragen würden, wenn ich behauptete, Henry Winters zu sein.
    Jemanden zu bewegen, mir Zugang zu einem Tresorraum zu gewähren, wäre meiner Ansicht nach vergleichbar mit der Aufgabe, jemanden dazu zu bringen, ein Verbrechen zu gestehen oder einen Freund zu verpfeifen. Vonnöten war nur ein Quäntchen Psychologie. Trickbetrüger nannten das Spiel »der barmherzige Samariter«. Bei der Polizei sagten wir »guter Cop, böser Cop«. Doch wie es auch heißen mochte, es war immer dieselbe Masche. Ein aggressiver Widersacher verunsichert und bedroht die Zielperson. Ein Mitverschwörer stellt sich als Verbündeter oder Retter dar. Ziel dieser abgesprochenen Situation ist es, das Opfer zu veranlassen, sich dem »barmherzigen Samariter« oder »guten Cop« anzuvertrauen.
    Tequila und ich waren den Plan schon am Abend zuvor im Hotel durchgegangen, und gingen ihn sicherheitshalber auf unserem Parkplatz gegenüber der Bank noch mal durch. Ich schlürfte meinen Kaffee und versuchte, meine Nerven zu stählen.
    »Wird es auch klappen?«, fragte er mich.
    »Eine bessere Idee hab ich nicht«, sagte ich, als ich auf der Beifahrerseite meines Buick ausstieg. Bei diesem kleinen Abenteuer musste meine .357 schön brav im Auto warten. So dämlich, einen Schießprügel in die Bank einzuschleppen, war ich nicht, obwohl ich mir ohne das Ding ziemlich nackt vorkam. Aber ich ließ zu seiner Gesellschaft den Kaffeebecher auf dem Armaturenbrett stehen. Das Merkheft und die Lucky Strikes durften mit rein.
    In unserem Plan war ich der böse Cop und bahnte mir mit viel Getöse durch die Drehtür den Weg in die Bank. Ich trug eins von Tequilas zerschlissenen Sweatshirts, riss die Augen so weit auf, wie es ging, und füllte mit meinem Heidenlärm den Schalterraum bis unter die hohe Gewölbedecke.
    »Ich will an mein gottverdammtes Bankschließfach«, schrie ich quer durch den Raum. »Wo habt ihr es versteckt?«
    Ich unterbrach meinen Wutanfall, um mir flugs eine Zigarette anzuzünden.
    Ein besorgter Kassierer mit kurzem Haar und feingliedrigen Händen kam angewieselt. »Sir, Sie dürfen hier drinnen nicht rauchen.«
    Ich warf ihm einen bösen Blick zu.
    »Ich darf hier nicht rauchen?« Es war eher ein Aufheulen als eine Frage.
    »Sie müssen nach draußen gehen.«
    Ich ließ absichtlich eine Weile vergehen, damit auch jeder in der Bank seinen Blick auf mich gerichtet hatte, und feuerte dann aus beiden Läufen auf das arme Bürschchen.
    »Du solltest dir lieber Manieren angewöhnen«, bellte ich. »Ich hab verdammt noch mal auf den Stränden der Normandie für dich geblutet, und du willst mich hinausschicken in die Gosse wie einen Hund, der sich anschickt, auf deinen Teppich zu pissen? Wo hast du dein Benehmen gelernt?«
    Er schluckte schwer. »Sir, das hier ist ein Nichtraucherbereich.«
    Ich leerte meine verrußten Lungen und blies ihm eine Wolke aus Rauch und feinem Schleimdunst direkt ins Gesicht. »Entweder du schaffst mir mein Schließfach ran oder du gehst mir aus den Augen!«
    Tequila trat an meine Seite. Er war heimlich, still und leise von hinten dazugekommen und trug zwei Rolltaschen über der Schulter.
    »Grandpa, so spricht man aber nicht mit anderen Leuten.« Er legte mir eine Hand auf die Schulter und schob sich dann zwischen mich und den Kassierer. »Es tut uns sehr leid.« Wenn er wollte, konnte er höchst überzeugend lügen, und der Kassierer schien darauf reinzufallen.
    »Nichts tut uns leid. Und du nimmst dir ein bisschen viel heraus, dass du dich für mich entschuldigst, Junge. Du bist doch auch nur ein schmutziger kleiner Dieb und nur hier, um mich zu bestehlen.«
    Er wirkte verdutzt, aber nur kurz. »Grandpa«, sagte er streng. »Wir können unsere Probleme lösen, ohne sie in der Öffentlichkeit auszubreiten.«
    »Leck mich!«, schrie ich ihn an. Es ist hilfreich, wenn die Zielperson und der gute Cop vom bösen Cop scheinbar in gleichem Maße beleidigt und

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