Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman

Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman

Titel: Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
sorgten dafür, dass er nicht unentwegt mürrisch durch die Gegend rannte. Außerdem wollte Rose noch ein paar Urenkel auf dem Schoß wiegen, und mir gefiel es wahrhaftig nicht, ihn unglücklich zu sehen. Aber die Umstände waren nicht normal.
    Tequila müsste sich darüber im Klaren sein, was Avram Silvers sogenannter »guter Job« bei der israelischen Regierung bedeutete. Er hatte Jitzchak Steinblatt dabei erlebt, wie er unseren Fragen ausgewichen war und nicht verraten wollte, warum er mich trotz unserer Verabredung am Jewish Community Center versetzt hatte.
    Tequila war smart und vielseitig ausgebildet. Er konnte sich darauf verlassen, dass sein Gehirn erledigte, was von ihm verlangt wurde, und er nicht plötzlich das Ziel aus den Augen verlor oder vor lauter paranoidem Geflüster die lautstarke Stimme der Vernunft überhörte. Ich hingegen litt unter kognitiver Beeinträchtigung in minderstarker Ausprägung. Er vertraute seinem eigenen Urteil mehr als meinem, und ich traute weder seinem noch dem meinen. Wenn er meinte, Yael sei unbedenklich, würde ich ihn niemals umstimmen können.
    Das Restaurant im Hotel war ziemlich mies, und daher fuhr Tequila uns zu einem Olive Garden, den wir bereits vom Highway aus bemerkt hatten. Drinnen war das Rauchen nicht erlaubt. Anscheinend waren all diese Kettenrestaurants aus Pappmaché gefertigt und man fürchtete, dass der ganze Laden durch einen einzigen Glimmstängel im Nu niedergebrannt werden konnte. Ich beschloss, keinen Aufstand zu machen. Als wir in unsere Nische rutschten, lächelte Yael mich an. Ihre Zähne waren gerade und weiß, ihre Haut war glatt und braun, und ihre Augen waren von kräftigen dunklen Wimpern umrahmt. IhrHaar umspielte in lockigen Kaskaden ihren Kopf. Tequila schien in Ohnmacht zu fallen, sobald sie ihn nur ansah.
    »Wie ich gehört habe, sind Sie Soldat?«, fragte sie mich.
    »Das war ich, und zwar vor langer Zeit«, antwortete ich.
    Sie runzelte die Stirn. »Wer einmal Soldat war, bleibt immer Soldat.«
    Das sind so Sachen, die junge Soldaten für Wahrheiten halten. Menschen, die entschlossen sind und stark und die nicht ständig zu Beerdigungen gehen müssen, scheinen alles für dauerhaft zu halten.
    »Nein, ich war einmal Soldat, aber bin es jetzt nicht mehr.«
    War einmal Soldat. War einmal Detective. War einmal Vater.
    »Was Sie getan haben, bleibt ewig bestehen«, sagte sie. »Eine bedeutende Leistung. Damit haben Sie der Welt ein neues Gesicht gegeben.«
    Und dann ging die Welt an mir vorbei. Wie mein Rasen; so viele Jahre hatte ich mich um ihn gekümmert, und dann, eines Tages, hörte ich damit auf. Und das Gras wurde doch im Frühling immer wieder grün.
    Ich erwog, ihr von meinem Rasen zu erzählen und dem Guatemalteken und dem geschäftigen Criminal Justice Center im Zentrum von Memphis und den dickfelligen Cops und Kriminaltechnikern, die Kinds Leiche umschwirrten. Ich hatte dreißig Jahre damit verbracht, Killer hinter Gitter zu bringen, und hatte mich damals tatsächlich für das letzte Bollwerk gegen den gesellschaftlichen Zusammenbruch gehalten. Aber eines Tages war damit Schluss. Und obwohl all die Jahre vergangen waren, hatte sich nichts geändert bis auf die Tatsache, auf die Jennings hingewiesen hatte: Die Stadt stellte neue Rekorde auf, was die Zahl der Gewaltverbrechen betraf.
    Ich dachte daran, Yael zu erzählen, was die bedeutende Leistung an dem Tag wert gewesen war, als ich meinen Sohn zu Grabe tragen musste; an dem Tag, als man mir zum ersten Mal riet, mich vom Autofahren zu verabschieden; an dem Tag, als ich überden Frühstückstisch auf einen jungen Mann blickte, der mein Gesicht hatte, aber nichts von meinen Werten verstand.
    Ich räusperte mich und spielte mit meiner Serviette. Ich erzählte ihr nichts.
    »Ich habe die tätowierten Zahlen auf dem Arm meiner Großmutter gesehen und zugesehen, wie sie im Schlaf geweint hat«, sagte Yael. »Wir müssen Kämpfer bleiben, damit wir niemals mehr zu Opfern werden.«
    »Yael ist in die Vereinigten Staaten gekommen, um das College der Universität von Pennsylvania zu besuchen«, klärte mich Tequila auf.
    »Und dann bin ich zurückgekehrt, um in der Armee zu dienen«, sagte Yael.
    »Sie hätten aber auch hierbleiben und nicht zur Armee gehen können?«
    »Das hätte ich niemals getan.«
    Ich schnaubte ungläubig.
    »Ich hab nach dem World Trade Center überlegt, mich freiwillig zu melden«, sagte Tequila.
    »Und warum hast du es nicht getan?«
    »Weil ich ihn gefragt habe,

Weitere Kostenlose Bücher