Der Altman-Code
den Haupteingang.
Zwei Stunden später, bei Anbruch der Dunkelheit, legte sich violettes Licht über die Stadt, und ein Anflug von Asiens sinnlicher Schönheit nahm der gezackten Skyline ihre Kanten. Einen Block vor dem Gebäude, in dem sich Flying Dragon Enterprises, International Trade & Shipping befand, hielt Andy An kurz an, um Smith aussteigen zu lassen. Da sich das nächtliche Treiben bereits größtenteils in Richtung Altstadt, Französische Konzession und Huangpu verlagert hatte, wirkte die halb verlassene Stra
ße ganz anders als tagsüber.
Andys Recherchen hatten ihre Suche erheblich eingeschränkt: Zhao Yanji war der Leiter der Finanzabteilung von Flying Dragon, das in dem Hochhaus direkt gegen
über dem zweiten Starbucks residierte. Ein Mann, der während der Arbeitszeit heimlich hochbrisantes Material weitergab, legte bestimmt großen Wert darauf, dass er dafür seinen Arbeitsplatz nur wegen einer einleuchtenden Besorgung und auch nur möglichst kurz verlassen musste, etwa, um in dem Starbucks direkt gegenüber Kaffee zu holen. Wenn Zhao Yanji diese Person war, fand er in dem offensichtlich sehr beliebten Starbucks die perfekte Übergabestelle.
Ging alles gut, konnte Smith mühelos rechtzeitig im Hotel zurück sein, um sich um neun Uhr mit Dr. Liang und seinen Kollegen zum Abendessen zu treffen. Lief dagegen etwas schief … na ja, auch das würde er irgendwie hinkriegen.
Als der Jetta in die Dämmerung davonzuckelte, schlenderte Smith, seine Umgebung aufmerksam beobachtend, auf das Bürohochhaus zu. Er trug einen schwarzen Pullover, schwarze Jeans und weiche, biegsame Schuhe. Auf dem Rücken hatte er einen kleinen Rucksack, ebenfalls schwarz. Er sah nach oben. Das Gebäude, in dem sich Flying Dragon befand, war hell erleuchtet, ein Beitrag zur atemberaubenden nächtlichen Skyline der Stadt. Das Starbucks auf der anderen Straßenseite war noch geöffnet. Wie in einem hyperrealistischen, an ein Edward-Hopper-Gemälde erinnernden Schaukasten saßen an kleinen runden Tischen vereinzelte Kaffeetrinker. In der Luft lag der schwache Dieselgeruch aller Großstädte, durchdrungen von einem Hauch asiatischer Gewürze und Knoblauch.
Durch die Panzerglasfassade des Hochhauses sah Smith im Foyer an einem Schreibtisch einen einsamen uniformierten Wachmann vor sich hin dösen. Vielleicht wäre es möglich gewesen, sich an ihm vorbeizustehlen, doch Smith wollte kein unnötiges Risiko eingehen. Sicher verfügte das moderne Bürohochhaus über alle gängigen Bestandteile eines solchen Bauwerks.
Smith ging zu einer Einfahrt, die in eine beleuchtete, aber geschlossene Tiefgarage hinabführte. Drei Meter hinter der Rampe befand sich eine Tür, durch die man zur Feuertreppe gelangte. Genau das, wonach er gesucht hatte. Er drückte auf die Klinke. Die Tür war von innen abgeschlossen. Er holte die Dietriche heraus, die er, als chirurgische Instrumente getarnt, in seinem Erste-Hilfe-Beutel mitgenommen hatte. Nach dem vierten Versuch öffnete sich die Tür.
Er schlüpfte nach drinnen, schloss sie leise hinter sich, steckte die Einbruchswerkzeuge in seinen Rucksack und lauschte in das leere Treppenhaus hinauf. Nachdem er zwei Minuten gewartet hatte, begann er mit dem Aufstieg. Die weichen Sohlen seiner Schuhe machten kaum ein Geräusch. Flying Dragon Enterprises befand sich im siebten Stockwerk. Zweimal blieb er wie angewurzelt stehen, als irgendwo über ihm eine Tür aufging und Schritte ertönten.
Vor der Eingangstür des Büros holte er ein Stethoskop aus seinem Rucksack und lauschte damit an der Tür.
Nachdem er sich vergewissert hatte, dass dahinter nicht der leiseste Laut zu hören war, zog er die Tür auf und betrat einen ultramodernen, in Chrom, Glas und Wildleder gehaltenen Empfangsbereich mit grünem Teppichboden und weißen Wänden.
Ein breiter Gang, ebenfalls mit weißen Wänden und grünem Teppichboden, führte zu einem kreuzenden Flur, von dem mehrere Flügeltüren abgingen – einige aus Glas, andere aus poliertem Holz. Der Flur führte in beide Richtungen. Wie sich herausstellte, befand sich Flying Dragon Enterprises hinter der dritten Flügeltür aus Glas, durch die Smith im Vorbeigehen einen beiläufigen Blick warf.
Dahinter befand sich ein unbeleuchteter Empfangsbereich, an den sich ein beleuchtetes Großraumbüro mit langen Reihen leerer Schreibtische anschloss, an deren Ende eine breite Fensterfront war. In den beiden Seitenwänden befanden sich massive Türen.
Als er das dritte Mal daran
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