Der Altman-Code
bewegten sich keine Schatten mehr. Feng lächelte sein unergründliches Lächeln und stellte sich Yus Frau Kuonyi vor. Er hatte sie schon immer sehr anziehend gefunden. Er lachte kurz, zuckte mit den Schultern und wählte auf seinem Handy eine Nummer.
Hongkong Bis vor kurzem der letzte Teil Chinas in britischer Hand, hatte Hongkong einiges von seinem aufdringlichen Glanz verloren, seit es 1997 wieder in rotchinesischen Besitz übergegangen war. Während sich Beijing erträumte, die künftige Hauptstadt Asiens zu sein, und Shanghai sich als die östliche Version von New York City betrachtete, wollte Hongkong nichts weiter, als so zu bleiben, wie es war – selbstständig, profitorientiert und voller Leben; lauter Eigenschaften, die kaum eine andere Großstadt Chinas für sich beanspruchen konnte.
Vom Penthousebalkon der Altman Group hatte man den Eindruck, als zöge sich Hongkongs glitzerndes Lichtermeer, Zeugnis der Dynamik der Stadt, ins Endlose hin. Im teakvertäfelten Speisesaal ging gerade eine Dinnerparty zu Ende. Die Düfte teurer Fleischgerichte und französischer Soßen durchzogen den Raum. Der freundliche Gastgeber Ralph McDermid – Gründer, Direktor und Vorstandsvorsitzender der Altman Group –
hielt wegen seiner letzten zwei Gäste noch die Stellung.
Von mittlerer Größe und mit einem nichts sagenden Gesicht, das in einer Menschenmenge niemandem auffiele, war McDermid Mitte sechzig, leicht übergewichtig und jovial. »Die Zukunft des Welthandels liegt bei den Pazifik-Anrainerstaaten, mit den Vereinigten Staaten und China als den zwei wichtigsten Finanzstützen und Märkten. Egal, ob ihnen ihre Halb-Unabhängigkeit passt oder nicht, werden sie noch ziemlich lange damit leben müssen.« Das chinesische Paar, beide in Hongkong geboren, spielte in den Kreisen der Hochfinanz eine wichtige Rolle. Sie bestätigten McDermids Feststellung mit einem nüchternen Nicken, hatten allerdings aber wenig Einfluss, weil Beijings starke politische Faust für alle Geschäftsleute in der Sonderverwaltungszone eine permanente Bedrohung darstellte.
In einem so luxuriösen westlichen Ambiente von einem Mann von Ralph McDermids Kaliber bewirtet zu werden und Verständnis entgegengebracht zu bekommen, stärkte jedoch ihr Selbstbewusstsein und ihre Hoffnungen. Das Penthouse krönte das teuerste Hochhaus der Repulse Bay Road. Immer wieder hielt das chinesische Paar in der Unterhaltung inne, um den unvergleichlichen Blick zu genießen.
Als irgendwo im Penthouse ein Telefon läutete, sagte der chinesische Geschäftsmann zu McDermid: »Es freut uns sehr, Ihre Ansichten zu hören, und wir hoffen, Sie werden sie auch unserem Bürgermeister vortragen. Amerikas Unterstützung ist für unsere Beziehungen zu Beijing von allergrößter Bedeutung.«
McDermid lächelte gönnerhaft. »Ich glaube, Beijing ist sich sehr deutlich bewusst …« McDermids Privatsekretär, der fast lautlos hereingekommen war, flüsterte seinem Chef etwas ins Ohr.
McDermid zeigte keine Reaktion, entschuldigte sich aber bei seinen Gästen. »So Leid es mir tut, aber ich muss diesen Anruf entgegennehmen. Es war ein schöner Abend, nicht nur sehr unterhaltsam, sondern speziell für mich auch sehr lehrreich. Vielen Dank, dass Sie gekommen sind. Ich hoffe, Sie haben wieder einmal Zeit, mir für einen weiteren Gedankenaustausch Gesellschaft zu leisten.«
»Mit dem größten Vergnügen«, erwiderte die chinesische Geschäftsfrau. »Aber das nächste Mal müssen Sie uns besuchen kommen. Wir glauben, Ihnen einen durchaus interessanten Abend versprechen zu können, wenn auch nicht so köstliches Essen. Vor allem der Wein war ganz vorzüglich.«
»Das war doch nichts weiter als einfache amerikanische Kost – und Wein aus einer kleinen Winzerei, die kaum so illustrer Gäste würdig ist. Lawrence wird Ihnen Ihre Mäntel bringen und Sie hinausbegleiten. Noch einmal vielen Dank, dass Sie mich mit Ihrer Anwesenheit beehrt haben.«
»Ganz im Gegenteil, wir bescheidenen kleinen Ladenbesitzer haben Ihnen zu danken.« Nachdem er die Komplimente im richtigen Maß verteilt und abgewiesen hatte, eilte McDermid in sein Schlafzimmer.
Sein joviales Lächeln war verflogen. »Und?«, knurrte er in den Hörer.
»Es lief alles nach Plan«, erstattete Feng Dun Meldung.
»Wie Sie erwartet hatten, war ein zweiter amerikanischer Agent auf der Insel. Wir haben Mondragon getötet und das Ladeverzeichnis an uns gebracht, aber den zweiten Amerikaner entkommen lassen. Jetzt dürften sie
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