Der Altmann ist tot: Frl. Krise und Frau Freitag ermitteln
die erste Querstraße und hält an. Von hier haben wir einen guten Blick auf Franziska Altmanns Auto. Jetzt steigt sie aus. Der gutaussehende Typ auch.
«Warum parken die den Wagen nicht? Die darf doch da nicht stehen bleiben, oder?», frage ich Frl. Krise. «Ohhh, guck, jetzt knutschen die aber RICHTIG ! Und wie der ihr den Bauch dabei streichelt, ich bin sicher, die kennen sich schon länger … guck mal, was macht der denn jetzt? Der küsst ihr den BAUCH . Und … du, Frl. Krise, ich glaube, die VERABSCHIEDEN sich und … Mist, der will in die U-Bahn!»
«Los, Frau Freitag, raus, du hast doch Monatskarte, bleib dran und find raus, wer das ist!»
« WIE ? ICH soll jetzt in die U-Bahn?!»
«Ja, klar, was denn sonst? Oder meinst du, ich kann hier mit dem Auto die Treppen runterfahren. Los, raus mit dir!» Frl. Krise greift über mich, öffnet die Beifahrertür und gibt mir einen Schubs in die Seite. «Wir bleiben über Handy in Kontakt!», ruft sie mir hinterher.
Ich renne die Treppen runter. Hoffentlich ist der überhaupt noch da. Scheiße, ist das voll hier. Wo ist der Typ? Wenn ich den jetzt verloren habe … toll, dann kann ich eine Stunde mit der U-Bahn nach Hause fahren. Ah, nein, dahinten ist er, am Kiosk. Er steht an der Bahnsteigkante. Ich bleibe mal lieber hier stehen.
Die U-Bahn rollt ein. Ein Gedrängel und Geschubse ist das immer. Ich versuche den Gutaussehenden nicht aus den Augen zu lassen. Er setzt sich auf einen leeren Platz und breitet die Zeitung aus, die er sich anscheinend gerade gekauft hat. Eine B.Z.
Komisch, ich hätte nicht gedacht, dass das ein B.Z.-Leser ist. Er überfliegt die Titelseite und blättert dann gezielt im Innenteil. Jetzt, wo er hinter der Zeitung verschwunden ist, kann ich mich ein wenig näher an ihn ranwagen. Ich kann Teile des Aufmachers sehen: «Ermordeter Lehrer» … irgendwas. Wahrscheinlich liest der Typ gerade den Artikel dazu.
Krass, da hat er eben noch mit der Witwe des Ermordeten geknutscht, und fünf Minuten später liest er über den Toten in der Zeitung. Der wird ja wohl wissen, dass seine Geliebte mit dem ermordeten Lehrer verheiratet war und ein Kind von dem erwartet.
Diese Krise! «Die arme Witwe, ach, sie tut mir ja so leid …», jaja. Und dann trifft die arme Witwe sich gleich nach der Beerdigung mit ihrem Lover.
Aber wie soll ich denn rausfinden, wer das ist? Ich kann den doch nicht durch ganz Berlin verfolgen. Was ist, wenn er einfach nur nach Hause geht? Der wird dann ja mit seinem Schlüssel die Haustür aufschließen und reingehen. Und wenn das ein großes Haus ist, dann stehen da ja vermutlich 20 Namensschilder an der Tür. Ich kann ja auch nicht irgendwo klingeln und fragen, wie der hübsche junge Mann heißt, der diese schwangere Freundin hat. Vielleicht war die Altmann ja auch noch nie in seiner Wohnung … eine Schnapsidee war das von der Krise. Kurfürstendamm. Ich werd nie rausfinden, wer das ist …
Ah, eine SMS von Frl. Krise: «Dranbleiben! Typ ist äußerst verdächtig.»
Na toll. Spichernstraße. Loverboy macht keine Anstalten aufzustehen. Offensichtlich fährt er noch ein Stück, sonst würde er ab und zu hochgucken, ob seine Station schon kommt. Aber er scheint ganz in seine Zeitungslektüre vertieft.
Güntzelstraße. Oh Mist, er faltet die Zeitung zusammen. Hat er mich gesehen? Eigentlich auch egal. Der kennt mich ja gar nicht. Wenn der Altmann nicht zufällig die letzten Kollegiumsfotos in seiner Wohnung aufgehängt hat, dann dürfte der mich noch nie gesehen haben.
Oh, er steht auf. Berliner Straße. Ich hefte mich an seine Fersen. Er rennt die Treppe runter zum anderen Bahnsteig. Mist, die U-Bahnen stehen beide schon da. Leute steigen aus und kommen mir auf der Treppe entgegen. Eine dicke Frau mit einem Kleinkind an der Hand rempelt mich an: «Kannste nich uffpassn?» Ich gucke sie kurz böse an. Keine Zeit für einen Schlagabtausch.
Zu welcher Bahn geht er? Ist er schon eingestiegen? Ich sehe ihn nicht mehr. Jetzt muss ich pokern. Fifty-fifty Chance. Ich springe in letzter Sekunde in den Zug Richtung Rudow. Falls er hier nicht sitzt und ich ihn verloren habe, dann komme ich wenigstens mit dieser Bahn nach Hause, denke ich mir, als ich ihn plötzlich am Ende des Waggons neben einem Mann mit Fahrrad entdecke.
Er hält sich mit einer Hand an der Stange über seinem Kopf fest, in der anderen hat er die zusammengerollte B.Z. Er hebt den Kopf und studiert den U-Bahn-Plan. Er weiß also nicht genau, wie er fahren
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