Der Altmann ist tot: Frl. Krise und Frau Freitag ermitteln
Die junge Witwe. Die junge hochschwangere Witwe. Hoffentlich bekommt die das Baby nicht hier auf dem Friedhof. Das wäre ja was. Das würde dann morgen gleich in der Zeitung stehen.
Franziska Altmann sieht richtig gut aus. Das schwarze Kleid lässt sie etwas älter wirken, als sie ist. Und dünn ist die … werden Frauen nicht immer so dick, wenn sie ein Baby kriegen? Die macht bestimmt viel Sport. Vielleicht Aquagymnastik. Mit dem Bauch kann man ja nicht an den Geräten trainieren.
Die Nolte steht bei Günthers Exfrau und den Söhnen. Typisch. Aber wo ist die Tochter? Der Altmann hatte doch zwei Jungs und ein Mädchen … komisch. Vielleicht wohnt die nicht in Berlin. Vielleicht wohnt die im Ausland. Aber zur Beerdigung des eigenen Vaters sollte man schon kommen, oder?
Neben Frl. Krise steht die Schirmer. Natürlich hat die ganz rot geheulte Augen. Sie sieht viel fertiger aus als die Witwe. Dabei blüht der jetzt eine Zukunft als alleinerziehende Mutter mit Baby. Und die Schirmer … was heult die denn hier so rum? Die Glocken fangen an zu läuten, und alle begeben sich langsam in die kleine Kapelle, aus der schon sehr traurige Orgelmusik zu hören ist.
«Puhhhh, jetzt brauche ich aber erst mal ’ne Zigarette», sagt Frl. Krise, als wir endlich wieder in ihrem Auto sitzen. «Gib mal eine!» Frl. Krise raucht eigentlich nicht. Früher hat sie geraucht. Jetzt hat sie es sich abgewöhnt, sagt sie. Aber wenn man ganz ehrlich ist, dann hat sie sich nur abgewöhnt, Zigaretten zu kaufen. «So eine Beerdigung brauche ich echt nicht jeden Tag», lässt sie mich wissen.
«Na, frag mich mal. Boahhhh, wie langweilig der Fischer gesprochen hat.»
«Ja, der kann das halt gar nicht, mit dem Reden. Sieht man doch auch, wie der immer die Gesamtkonferenzen hält. Aber die Franzi – also das war wirklich rührend. Da hab ich auch ganz feuchte Augen bekommen.»
«Hast du die Schirmer gesehen? Erst liefen der die Tränen runter, als der Sohn sprach und die Mutter, aber als dann die Frau was sagte, da hat sie ständig mit dem Kopf geschüttelt. Das war richtig unverschämt. Ich sag dir, da ist was faul mit der. Ist doch die perfekte Tarnung für eine Mörderin: auf die Beerdigung seines Opfers zu gehen.»
Frl. Krise schüttelt den Kopf: «Pffff, was du dir da wieder zusammenreimst …» Sie beobachtet die Trauergäste, die nach und nach den Friedhof verlassen und in ihre Autos steigen oder sich Richtung Gneisenaustraße auf den Weg zum U-Bahnhof machen. Wir haben den perfekten Parkplatz gefunden. Direkt vor der Post. Von hier aus können wir alles sehr gut beobachten.
«Ahhh, da sind die Söhne! Jetzt musst du aber zugeben, dass der eine voll gut aussieht, Frl. Krise. Meinst du, der Altmann sah auch so aus, als er jung war?»
«Das will ich mir jetzt gar nicht vorstellen. Der Günther, wie der früher aussah … der liegt da jetzt im Dunkeln in der Erde.»
«Ja, voll krass, die Würmer fressen sich bestimmt schon durch den Sarg. Wie lange dauert so was eigentlich?»
«Frau Freitag, jetzt hör aber auf! Und da ist Betty. Mit ihrem Freund.»
«Mit dem habe ich ja vorhin geraucht. Nett ist der. Aber wie er über den Altmann gesprochen hat … ich glaube, er freut sich über seinen Tod. Vielleicht hat der damit was zu tun. Würde mich nicht wundern. Der sieht ja wohl nicht besonders traurig aus, angeblich waren die doch mal Best Buddys.»
«Also Frau Freitag, jetzt lass mal gut sein. Warum sollte der so was machen? Der hätte doch gar kein Motiv. Der ist doch schon seit Jahren mit Betty zusammen.»
«Guck, guck, die Schirmer! Läuft mit dem Wernitzki, hihi. Das passt ja. Der Langweiler und die Heulsuse. Ich finde, die wären ein schönes Paar», sage ich und werfe meine Zigarettenkippe aus dem Fenster. Mein Blick fällt noch mal auf Betty Altmann, die gerade ihren Söhnen die Tür ihres Wagens aufhält. «Frl. Krise, die Tochter, die war aber nicht da, oder?»
«Nein, stimmt. Anna war gar nicht da …»
«Sehr verdächtig!»
«Die konnte wahrscheinlich nicht kommen. Oder meinst du jetzt, die ist schon auf der Flucht, weil sie ihren Vater umgebracht hat?»
«Vatermord – kommt vor!», gebe ich zu bedenken, aber Frl. Krise schüttelt nur den Kopf.
Frl. Krise startet den Motor: «Lass uns mal fahren. Ich muss dringend nach Hause, ich hab da noch einen Stapel Deutscharbeiten liegen.» Immer hat die Krise einen Stapel Deutscharbeiten irgendwo liegen, die sie noch korrigieren und zensieren muss. Damit hat sie
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