Der Altmann ist tot: Frl. Krise und Frau Freitag ermitteln
immer seltsam an. Aber da gibt es gar keine Bedenken. Man sollte diese Übungen vielleicht nicht machen, wenn man gerade Zahnimplantate bekommen hat, und die Übungen im Sitzen natürlich nicht, wenn man schwanger ist.»
«Schwanger?» Ich gucke auf meinen Bauch. Denkt der, ich bin schwanger? Man kann doch mal zu viel essen.
«Meine Freundin, die ist sehr sportlich. Die hat hier dreimal die Woche trainiert. Aber jetzt ist sie schwanger, und da geht das natürlich nicht mehr.»
«Oh, du wirst Vater?»
«Ja, ich freue mich schon sehr. Wird ein Junge.»
«Na, herzlichen Glückwunsch.»
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«Gibt es heute Abend nichts Warmes zu essen? Hast du nicht gekocht?» Männe steht in der Wohnzimmertür und guckt hungrig.
«Nee, keine Zeit!»
«Hattest du Konferenz?»
«Nein, ich war mit Viktoria … äh … an der frischen Luft und musste mich mit Frau Freitag treffen. Iss ein Brot!» Ich bin etwas ungehalten. Ewig diese Kocherei! Es gibt ja Leute, die behaupten, Kochen nach der Arbeit wäre herrlich entspannend, aber ich bin da anderer Ansicht. Auf der Couch liegen und lesen oder Fernsehen finde ich bedeutend entspannender. Außerdem hat Männe immer Hunger. Irgendwie ist es voll sinnlos, ihm was zu kochen, denn er schmiert sich meistens schon ein paar Minuten nach dem Essen wieder ein Brot. Das motiviert die Köchin nicht gerade …
Männe soll sich selbst was kochen, ich muss endlich diesen Kalender gründlich studieren, diesen posthumen Gruß, den ich von Altmann in MEINEM Schränkchen gefunden habe.
Was der da alles reingeschmiert hat in das kleine Buch, ist schon erstaunlich. Leider kann man das schlecht lesen, eine Sauklaue hat der gehabt. Als Lehrerin bin ich darin geübt, alle Schriften zu entziffern, aber das hier übersteigt teilweise sogar meine Fähigkeiten.
Am besten mal in die Küche gehen und ein Glas Wein holen, vielleicht macht mich das hellsichtiger. Männe steht halb gebückt vor dem offenen Kühlschrank und starrt in die Kälte. In die ziemlich leere Kälte.
Seufzend schließt er die Tür. «Ist ja gar nichts da!», sagt er mit Grabesstimme. «Du warst auch nicht einkaufen! Ich geh rüber zum ‹Black Sea› und hol mir einen Döner. Willst du auch was?»
«Nein … doch … ach nein, lieber nichts!»
«Ich bringe dir gerne was mit», insistiert Männe, der bloß Angst hat, dass ich ihm die Hälfte von seinem Döner wegesse.
Dann schiebt er endlich ab. «Zigaretten!», rufe ich ihm noch nach, aber das überhört er. Ich rauche eigentlich seit zwei Jahren nicht mehr, aber immer wenn ich mit Frau Freitag zusammen bin, werde ich rückfällig.
Schnell wieder mit meinem Rotwein auf die Couch und ab in meine braune Wolldecke. Ich wohne in dieser Decke, jedenfalls abends. Und Rotwein trinken ist Pflicht für Lehrer – das lernt man, wenn ich mich recht entsinne, im Studium.
Ich blättere den Kalender langsam durch. Manche Eintragungen sind klar:
«Elternabend 9 , 19 . 00 »
«Ohne Hausaufg.: Tom, Büşra, Selim»
«Wandertag, 9 Uhr, U-Bahnh. Hermannplatz»
«Mutter von Aynur anruf.»
« 10 . b: 8 . 00 – 11 . 30 BIZ »
« 8 .𠁥Jahrg. Taschenr. best.»
Unter «Betty Geb.» und «Gerd 50 . Geb.» kann ich mir auch etwas vorstellen, aber was – bitte schön – soll dieses «W. m. Bibl.» bedeuten, das hin und wieder auftaucht, meistens samstags? War der Günther in einem Bibelkreis? Nie im Leben!
Oder hier das: «Guta f. B»?
Spannend finde ich die Einträge mit «Joh.». Das heißt garantiert Johanna, was sonst! Die haben sich also regelmäßig getroffen, am Anfang des Jahres öfter als gegen Ende. Da war die Glut wohl schon erloschen, jedenfalls auf Günthers Seite. Und dann muss Franziska auch schon schwanger gewesen sein, und er hatte bestimmt nicht mehr so viel Zeit für die Schirmer. Die Schirmer … was der wohl an der fand? Ein hübsches Gesicht hat sie ja, große braune Augen und eine schöne Haut. Eigentlich sieht sie viel jünger aus, als sie ist. Bestimmt gibt sie ein Heidengeld für teure Cremes oder vielleicht sogar für Botox aus. Aber das Beste ist natürlich ihre Figur! Darauf war der Günther bestimmt total scharf.
Andererseits – Johanna ist und bleibt im Grunde eine langweilige Person. «Wie eine offene Selters», hat Frau Herz erst neulich über sie gesagt. Und immer dieses Weinerliche und Jammerige!
Aber bestimmt hat die dem Günther kräftig Honig ums Maul geschmiert, ihm erzählt, wie toll er ist und wie gut er aussieht und wie potent er … Ich
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