Der Altmann ist tot: Frl. Krise und Frau Freitag ermitteln
hat.»
«Das glaub ich nicht! Spinnt der? Der hat doch null Durchblick. Und außerdem, seit wann gibt der denn so steile Thesen von sich?»
«Na ja, es gibt schon ein Motiv. Irgendwie hat der Alt… äh … du weißt schon, wohl vor einem halben Jahr oder so eine fette Lebensversicherung abge…»
«Nicht im Ernst!»
«Doch. Wahrscheinlich, weil er jetzt noch mal Vater werden sollte und seine Frau doch nichts verdient, und falls er dann an einem Burnout oder so stirbt, dann wären die halt abgesichert. Leuchtet mir schon ein, und als Beamter ist es doch wahrscheinlich auch nicht schwer, so eine Versicherung zu kriegen. Ich kenne mich da nicht aus. Der Wernitzki meinte, das ginge da um eine Viertelmillion!»
«Da bin ich aber platt. Das ist allerdings ein schönes Motiv, oder? Mit dem Geld könnte man doch ein schnuckeliges Fitnessstudio aufmachen. Woher weiß das der Wernitzki eigentlich?»
«Irgendwie hat er das auf dem Computer im Physikfachbereich gesehen. Der Rechner war wohl kaputt, und der Hannes kennt sich doch aus mit Computern. Beim Reparieren hat er dann wohl Günthers Dateien gelesen, frag mich nicht, wie. Vielleicht hat er sie gehackt, oder sie waren nicht richtig geschlossen. Und der Pommer meinte, dass der Günther ihn auch mal auf Lebensversicherungen angesprochen hat, weil doch seine Frau bei der Hamburg-Mannheimer arbeitet. Scheint also zu stimmen. Was hältst du davon?»
«Der Wernitzki wird mir langsam unheimlich. Das ist so ein Leisetreter … ich glaube, der weiß viel mehr, als wir glauben. Der interessiert sich auch immer so unauffällig für alles Private.»
«Wir ja nicht, oder? Aber was sagst du jetzt? Glaubst du, das war die Franziska?»
«Kann ich mir nicht vorstellen. Höchstens zusammen mit ihrem Lover, mit dem …»
«Jörg? Nein, das will ich nicht glauben. Obwohl – ein Motiv hat er. Aber dieser Mann ist einfach zu schön, um einen Mord zu begehen. Du, Frl. Krise, ich muss mal aufs Klo. Meinen Teller können die abräumen.»
•
Ist das voll hier! Und wie viele Leute tanzen! Ich war letztes Jahr auf der Hochzeit von einer alten Schulfreundin. Niemals hätten die Omas oder die alten Tanten dort getanzt. Das war eher eine ziemlich steife Angelegenheit. Also, die Stimmung ist hier echt besser. Okay, das Essen bei meiner Freundin war feiner, aber da waren auch höchstens 40 Leute. Die Band ist auch super! Diesen Kreistanz kann ich ja mittlerweile ein bisschen. Den machen meine Schüler immer auf den Abschlusspartys. Ich werde gleich mal mittanzen! So, und wo ist jetzt das Klo? Hoffentlich ist da nicht so eine lange Schlange, sonst mache ich mir noch in die Hosen.
Was ist das denn? In dem riesigen Vorraum der Toiletten stehen mindestens zehn Frauen. Einige beugen sich zu den drei Spiegeln und erneuern ihren Lippenstift oder ihre Wimperntusche. Und die anderen RAUCHEN ! Warum rauchen die hier? Ist doch voll …
«Frau Freitag!» Jemand tippt mir von hinten auf die Schulter. Ich drehe mich um und gucke in ein strahlendes, mit orangem Make-up zugespachteltes Gesicht.
«Fatma?»
«Jaaaaa-aaaa, Fatma, aus Ihre alte Klasse.» Sie reißt ihre Arme auseinander, wirft sie um meine Schultern und drückt mich fest an sich: «Erinnern Sie sich an mich?»
Fatma … sofort habe ich sie wieder vor Augen. Laut, energisch, selbstbewusst, gut in Kunst, schlecht in allen anderen Fächern. Einfacher Hauptschulabschluss, weil sie in der Zehnten nur noch geschwänzt hat.
«Wie geht es Ihnen, Frau Freitag? Was machen Sie hier?»
Fatma … ich bin verwirrt. Fatma wohnt doch gar nicht in Neukölln. Warum …
«Sind Sie immer noch an unsere alte Schule, Frau Freitag?»
«Nee, schon länger nicht mehr … oh, Fatma, ich muss schnell aufs Klo, wartest du kurz?»
«Na klar, Frau Freitag, ich muss sowieso noch nachschminken. Gehen Sie nur!»
Fatma, Fatma, Fatma – eine richtige junge Dame ist sie geworden. Noch genauso schräg gekleidet wie früher, aber sie wirkt erwachsen. Ob sie auch schon verheiratet ist?
Als ich aus der Kabine komme, schmiert sich Fatma gerade eine neue Make-up-Schicht auf die Stirn. Genau, wie sie es in Englisch und in Mathe und überhaupt in jeder ersten Stunde ihrer Schulzeit gemacht hat. Acht Uhr – es klingelt zum Unterricht, Fatma holt ihr Kosmetiktäschchen raus und bemalt sich.
«Sie sind ja geschminkt, Frau Freitag! Voll hübsch. Ich habe Sie noch nie mit Schminke gesehen … doch einmal, als wir bei diese Maßnahme waren … aber das sah schlimm aus. So
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