Der Altmann ist tot: Frl. Krise und Frau Freitag ermitteln
Wetter geöffnet.
Der Laden ist klein. Sehr klein. Eigentlich ist es kein richtiger Raum, sondern nur ein großer Gang. Steht man vorm Tresen, dann bollern hinter einem die riesigen Kühlschränke, daneben hängen Regale an der Wand, in denen alle möglichen und unmöglichen Zeitschriften liegen, und unter den Zeitschriften steht die Eisbox, aus der vor allem Wassereis verkauft wird. Vorzugsweise mit Colageschmack. Hinten im Laden befindet sich ein weiterer schmaler Raum mit einigen Computern. Ich glaube, das soll ein Internetcafé sein. Ein Späti mit integriertem Internetcafé. Dort darf sogar noch geraucht werden. An den Computern sehe ich so gut wie nie jemanden sitzen. Ich frage mich auch immer, wer dort eigentlich reingehen sollte. Heutzutage hat doch jeder einen eigenen Computer zu Hause und noch ein Smartphone in der Tasche. Zwischen dem Laden und dem Computerraum ist eine Art kleiner Flur, und obwohl der schon sehr eng und schmal ist, gibt es dort trotzdem noch einen Tisch und zwei Stühle. Und da sitzen Frl. Krise und ich immer nach der Schule. Nicht gerade der mondänste Hangout, dafür gemütlich, und man darf rauchen. Aber das Beste an dem Laden ist Hüseyin, von allen nur Onkel Ali genannt. Er macht den leckersten Filterkaffee der Stadt. Ich kenne mich aus mit Filterkaffee, denn den trinke ich am liebsten. In jedem blöden Szenecafé in Mitte oder Prenzlauer Berg frage ich erst mal nach dem guten alten Filterkaffee und ernte immer nur hämisch arrogantes Kopfschütteln. «Nein, wir haben eine Espressomaschine.» «Wir haben nur italienischen Kaffee.» Nie gibt es stinknormalen Filterkaffee aus der Kaffeemaschine. Da ich Milch ablehne, muss ich immer wieder feststellen, dass der Genuss von italienischem Kaffee einfach nur bitter ist. Und «schwarzen Kaffee» darf man den auch nicht mehr nennen. Das heißt heute nur noch «Americano» – als seien ausgerechnet die Amerikaner für hervorragende Kaffeekünste bekannt.
Man kann sagen, was man will, Onkel Ali macht den besten Kaffee, und er versteht sofort, was ich möchte, wenn ich einen «schwarzen Kaffee» bestelle.
Kurz vor Onkel Alis Laden dreht sich Frl. Krise plötzlich zu mir um: «Du, Frau Freitag, wir brauchen eine B.Z.!»
«Wieso brauchen wir eine B.Z.?»
«Der Pommer hatte heute eine mit. Bei der Dienstbesprechung.»
«Der Pommer liest B.Z.? Hätte ich jetzt nicht gedacht.»
«Na, jedenfalls steht da wohl schon was über den Altmann drin.»
«Dieser Wichtigtuer. War klar, dass der das schon wieder als Erster wusste. Die B.Z. kaufst DU aber!» Ich gucke Frl. Krise an und warte auf ein bestätigendes «Okay».
Stattdessen bekomme ich ein «Wieso ICH ? Die kannst du doch auch kaufen».
«Ich kann die ja gerne bezahlen. Aber du kaufst sie.» Ich krame in meinen Hosentaschen, wo sich immer etwas Kleingeld befindet: «Was kostet so eine B.Z.?», frage ich und halte Frl. Krise drei 50 -Cent-Stücke unter die Nase. Sie verdreht die Augen, grapscht sich die Münzen und betritt mit einem fröhlichen «Merhaba, Onkel Ali!» den Laden.
Onkel Ali lächelt: «Tachchen, Frl. Krise und Frau Freitag. Wie jeht’s? Schon Schulschluss? Zwei schwarze Kaffee?»
«Ja, Kaffee. Unbedingt!», antworte ich und lasse mich auf den Stuhl im Flur fallen. «Und Zigaretten brauche ich und …», ich gucke Frl. Krise an, die regungslos vorm Tresen steht.
Sie wirft mir einen giftigen Blick zu und sagt dann leise: «Und eine B.Z.»
«Ick wusste janich, dit du ooch B.Z. liest», sagt Onkel Ali, nimmt das Geld entgegen und legt die Zeitung neben den Feuerzeugaufsteller.
«Tja, man lernt eben nie aus», sage ich und kriege dafür einen Tritt von Frl. Krise.
«Aua, warum trittst du mich? Zeig mal her, was in der Zeitung steht!»
«Nur, dass der tot ist. Nichts Genaues.»
«Gibt es da kein Foto?»
«Nein, da steht nur ‹unbekannte Identität›.»
«Du, Frl. Krise, die Schirmer, mit der hatte ich doch gerade Musik in der Herzklasse, die ist total durch den Wind. Geheult hat die, als sei ihr eigener Mann gestorben.»
«Die waren doch gut befreundet … oder meinst du …?»
«Also den Tränen nach zu urteilen, würde ich sagen, der Altmann hat die flachgelegt.»
«Ach … nee, Frau Freitag, das glaub ich nicht. Der hat so eine junge Frau, und die Schirmer ist doch schon ein bisschen abgetakelt!»
«Je oller, desto doller, sagt man doch. Oder heißt das umso oller, desto doller, Frau Deutschlehrerin?»
«Je oller, je doller. Du könntest recht haben,
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