Der Amboss der Sterne
zu.«
Martin nickte.
Sie fragte: »Würde er wünschen, daß ich mich seinetwegen schlecht fühle?«
Martin wollte gerade den Kopf schütteln, lächelte dann aber und sagte: »Vielleicht ein bißchen.«
»Ich werde ihn in Erinnerung behalten.« Sie erschauerte bei dem Wort ›Erinnerung‹, als wäre es eine Realisierung oder ein Verrat oder beides, da Erinnerung so anders als direktes Sehen ist und in dem Fall eine Feststellung des Todes enthielt.
Es war für Martin natürlich, sie in die Arme zu nehmen. Paola Birdsong hatte ihn nie besonders angezogen, und vielleicht deshalb erschien ihm diese Geste nicht wie eine Verletzung seiner Erinnerung an Theresa. Paola mußte hinsichtlich Martins ebenso empfunden haben. Die Umarmung wurde auf unbeholfene Weise direkter; und sie lagen Seite an Seite in den Windungen von Rohren. Der Brandgeruch war schon fast zu schwach, um bemerkt zu werden.
Wo sie lagen, war es trocken, still und einsam. Martin fühlte sich fast wie eine Maus in einem riesigen Gebäude, die einen sicheren Platz weit entfernt von so vielen Katzen gefunden hat; und Paola selbst war klein wie eine Maus, ohne Ansprüche, ihn auf eine Weise berührend, die weder entmutigte noch einlud. Der Impuls der Situation war vom Instinkt getrieben. Er entkleidete sie nicht völlig, noch sich selbst. Aber er rollte sich über sie; und mit einer direkten Bewegung vereinten sie sich. Sie schloß die Augen.
Martin liebte sie langsam, ohne Hast. Sie hatte keinen Orgasmus, der dem seinen entsprach, der überraschend kräftig ausfiel. Und er bedrängte sie nicht deswegen. Sie schien nicht mehr als das zu erwarten, ein zeitweiliger kleiner Verrat der Erinnerung, eine kleine Rückkehr zu vollem Leben. Danach, ohne ein Wort darüber, was sie getan hatten, brachten sie ihre Overalls wieder in Ordnung.
Er fragte: »Wovon hast du in letzter Zeit geträumt?«
»Nichts Ungewöhnliches«, sagte sie, zog die Knie an, umklammerte sie mit den Armen und stützte das Kinn darauf.
»Ich habe recht lebhafte Träume. Schon seit langer Zeit. Recht spezielle Träume, fast instruktiv.«
»Wie was?«
Martin merkte, daß es ihm viel mehr widerstrebte, die Träume zu beschreiben, als sie zu charakterisieren. »Erinnerungen mit realen Personen darin. Leute vom Schiff, meine ich, die zu mir sprechen. Mich beraten, als wären sie lebendig.«
Paola stieß mit den Kinn auf ihre Knie, als sie nickte. Sie sagte: »Ich habe ähnliche Träume gehabt. Ich denke, dies bedeutet, daß wir in einer besonderen Zeit leben.«
Martin gab es bei diesem Satz einen Ruck.
»Was meinst du damit?« fragte er.
»Es erscheint einfach richtig. Wir sind von unserem Volk so weit entfernt. Wir verlieren immer mehr Verbindungen. Es muß sich etwas ändern.«
»Was wird sich verändern?« fragte er.
Sie streckte sich und zog einen nackten Fuß an, um einen Zehnagel zu untersuchen. Sie sagte: »Unsere Psychologien. Ich weiß nicht. Ich rede bloß so dahin. Eine besondere Zeit ist, wenn wir wieder lernen, wer wir überhaupt sind.«
»Die Vergangenheit abschütteln«, schlug Martin vor.
»Vielleicht. Oder sie anders sehen.«
»Kommt Sig in deinen Träumen zu dir?« fragte er.
»Nein«, erwiderte sie. Ihre dunklen Augen beobachteten ihn.
Er hielt es für unwahrscheinlich, daß sie sich wieder lieben würden.
Danach, in seiner Wohnung, um sich auf eine Wache im Bug vorzubereiten, fühlte er sich melancholisch. Aber das war eine Verbesserung. Es waren nur Wochen in seinem persönlichen bewußten Leben gewesen; aber die Wolken lichteten sich, und er konnte für Momente hintereinander klar denken ohne den Schatten von Theresa oder William.
Im Bugraum schlief Hakim, während Li Mountain und Giacomo Sicilia den Leichnam von Wormwood beobachteten. In einigen Monaten würden sie die Gashülle nur noch als einen zurückweichenden Flecken in der Schwärze sehen.
»Irgend ein Anzeichen von einem Neutronenstern?« fragte Martin Li Mountain.
»Nein«, sagte sie. »Jennifer glaubt nicht, daß sich einer bilden wird. Sie denkt, das Innere des Sterns war schwer gestört, und alles wurde herausgeschleudert.«
Giacomo Sicilia sagte: »Es muß eine ganz erhebliche Explosion gewesen sein.« Er hatte, fast so geschickt wie Jennifer bei Muttimathe, Thomas Orchard beim Suchteam ersetzt.
Sie konnten nicht viel mehr tun als wissenschaftlich zu arbeiten, was Hakim freute, Martin aber leicht unbefriedigend fand. Wissen um des Wissens willen war nicht ihre Aufgabe. Aber Hakim
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