Der Amboss der Sterne
Einspruch.
Kai trat vor, Hans wich zurück. Kai und Martin faßten sie an einer Seite. Sie hing schlapp da. Das Fleisch war noch nicht auf Raumtemperatur abgekühlt. Martin packte ihre Schulter und Kai ihr Bein. So sanft wie möglich drehten sie sie um.
Sie war von hinten auf den Kopf geschlagen worden. Das Hinterhaupt war zerschmettert. Unter dem roten Haar hatte sich eine Blutlache gebildet, und klebrige Strähnen von Haar und Blut hafteten am Boden und rissen langsam los, als sie mit dem Gesicht nach unten gedreht wurde.
Jeanette stöhnte. Erin schien jetzt fasziniert zu sein, nachdem sie ihre Übelkeit überwunden hatte.
Martin fragte die Mutter: »Was sollen wir tun?«
»Rosa Sequoia ist nicht mehr nützlich«, sagte sie.
»Weißt du, wer sie getötet hat?« fragte Erin den Roboter.
»Wir wissen es nicht.«
Kai blickte zu Hans auf. »Wo bist du gewesen?«
»Er war während der letzten Stunden mit mir zusammen«, sagte Martin. »Ich glaube nicht, daß sie seit mehr als einer Stunde tot ist.«
»Sie ist seit zweiundfünfzig Minuten tot«, erklärte die Mutter.
Kai verzog kummervoll das Gesicht. Er fragte Martin: »Woher wissen wir, daß du die Wahrheit sagst?«
»Ich glaube Martin«, sagte Jeanette und schlang die Arme um sich. »Jemand anders hat sie getötet.«
»Warum?« fragte Erin.
»Weil sie die göttliche Wahrheit verkündet hat«, sagte Kai. »Wirst du uns dies den anderen sagen lassen, oder wirst du so tun, als ob das nicht geschehen wäre?«
»Jeder wird es erfahren.«
»Auch die Brüder?« fragte Ariel.
»Die sind unsere Partner«, erwiderte Hans. »Wir haben vor ihnen keine Geheimnisse.«
Martin und Kai drehten Rosa wieder auf den Rücken. Niemand denkt folgerichtig, sagte sich Martin. Er betrachtete die Blumentöpfe und das Kissen auf der einen Seite auf der Suche nach Hinweisen, wer hier gewesen sein könnte. Der Raum um den Leichnam herum gab keine Hinweise, bis auf die in eine Ecke gespritzten Blutstropfen und war leer bis auf Rosas Sachen.
Die Mutter fragte: »Wünscht ihr eine Trauerzeremonie?«
»Ja«, sagte Jeanette.
Hans sagte zu ihr: »Ich möchte, daß du die Arrangements triffst.«
Martin erkannte: Sie wollen nicht wissen, wer sie getötet hat. Sie schauen nicht hin. Er examinierte das Zimmer genau. Er wünschte, sie würden alle hinausgehen, damit er mit der Mutter privat sprechen könnte.
Hans sagte: »Du und Jeanette, ihr säubert sie. Wischt sie ab, zieht ihr ihr bestes… Was sollte sie tragen?« fragte Hans Jeanette.
»Ich weiß nicht«, sagte Jeanette. »Ich…« Sie brach stöhnend ab.
»Eine Robe«, entschied Hans. Er sah alle nacheinander an. »Sie war meine Geliebte«, sagte er mit verschleierten Augen und heruntergezogenen Mundwinkeln. »Wir werden herausbekommen, wer das getan hat.«
Die anderen gingen hinaus. Martin und Jeanette entkleideten Rosa schweigend und wuschen sie. Martin benutzte heimlich sein Handy, um den Zustand des Leichnams aufzuzeichnen, und durchsuchte den Raum nach weiteren Details, während Jeanette sie unter Tränen anzog.
»Sie ist eine Märtyrerin«, sagte sie. »Rosa ist für uns gestorben.«
Martin nickte. Das war wahrscheinlich nur zu wahr.
Die Mütter haben dies nicht verhindert. Aber sie hatten diese sehr harte Tatsache vor vielen Monaten, vor vielen Jahren erfahren. Die Crew eines Schiffs des Gesetzes war frei.
Frei zu sterben – und jetzt frei zu töten.
Die menschliche Besatzung nahm die Kunde so auf, wie Martin es erwartet hatte. Einige weinten, andere stießen Wutschreie aus, ein paar hielten sich aneinander fest, wieder andere lauschten schweigend, als Hans die Details offenbarte.
Nur Twice Grown war eingeladen worden, sich zu den Menschen zu gesellen, als Hans die Nachricht bekanntgab. Zusammengerollt, ohne Geruch, hörte er Hans zu und Paolas ruhiger Übersetzung in modifiziertem Englisch.
Hans schloß mit den Sätzen: »Rosa ist ermordet worden. Soviel ist bekannt. Wir wissen nicht, wer sie ermordet hat, und werden nicht die Zeit haben, das herauszufinden, ehe sich das Schiff teilt und wir zum nächsten Teil der Mission ausrücken. Ich wünsche, daß unsere Partner, unsere Brüder erfahren…« Er schien nach den rechten Worten zu suchen, der diplomatischen Formulierung, schüttelte aber den Kopf. »Dies war eine Verirrung…«
»Das Vergehen eines gebrochenen Individuums«, sagte Paola leise zu Twice Grown.
»Ein entsetzliches Unrecht.« Hans schüttelte den Kopf, die Lippen fest zusammengepreßt.
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