Der Amboss der Sterne
Ohr: »Du wirst mich alles tun lassen, nicht wahr? Schamlos!«
»Irgendwer in dieser Dyade muß abenteuerlich sein.«
Er küßte sie, während er über das Wort Dyade nachdachte. Das waren sie bestimmt. Er hatte ihre Beziehung nicht so genannt, sondern das Wort für das bisherige Verhältnis zwischen sich und William reserviert. Aber für das, was er für Theresa empfand, traf es noch mehr zu.
»Hochzeitskleid«, sagte er und hob sie hoch.
»Für uns alle«, sagte Theresa mit geschlossenen Augen und rieb ihre Hüften an ihm. »Laß mich herunter!«
»Noch nicht. Nicht, bis du sagst, daß ich abenteuerlustig bin.«
»Du bist abenteuerlustig.«
Martin hörte etwas, einen Atemzug oder das Rascheln von Stoff. Als er sich umwandte, sah er Rosa zurückkommen. Ihre Wohnung war hier irgendwo in der Nähe. Sie warf ihnen einen zugleich betrübten und verwirrten Blick zu, machte kehrt und verschwand.
»Es tut mir leid«, rief Theresa ihr nach. »Rosa, entschuldige.«
Aber sie war fort. Martin ließ Theresa herunter und schnitt eine Grimasse.
»Du hattest recht«, sagte Theresa traurig. »Sie ist so scheu… Sie hätte uns nicht sehen müssen. Aber dies hat nichts damit zu tun, daß du der Boss bist.« Sie zog ihren Overall hoch und sagte: »Zu deiner Wohnung.«
Er lag neben Theresa in der Dunkelheit und trieb in einer Selbstvergessenheit, die er seit längerer Zeit nicht mehr gefühlt hatte. Er war frei von Sorgen, gelöst in körperlichem Genuß. Alle Wünsche befriedigt oder dahin verdrängt, wo sie nicht lästig sein konnte. Theresa lag still da. Ihr Atem ging leicht, aber sie schlief nicht. Er spürte, wie sich ihre Lider öffneten und schlossen. Lange, schmachtende Blicke. Wie ein gesättigtes Tier.
Er sagte: »Ich danke dir.«
Sie streichelte sein Bein mit ihrem Fuß. »Du bist so still. Wo bist du?«
»Ich bin daheim«, sagte er.
»Denkst du an die Erde?«
»Nein. Ich bin zu Hause. Hier mit dir.«
Und das stimmte. Zum ersten Mal in dreizehn Jahren, hier in der Dunkelheit, fühlte er sich zu Hause. Das Zuhause lag ein paar Minuten zwischen äußersten Besorgnissen und Herausforderungen. Zuhause war ein Schweben ganz außerhalb von Zeit und Raum.
»Das ist entzückend«, sagte Theresa.
»Ich liebe dich.«
»Ich liebe dich, Martin. Aber ich bin nicht zu Hause. Noch nicht.«
Er zog sie an sich. Der Moment war flüchtig. Er wollte ihn festhalten, konnte das aber nicht. Zeitweilig, unauslöschlich. Nicht zu Hause. Unbehaust.
Martin betrat den Bug in kurzen Trainingshosen, ein Schweißtuch um den Hals gelegt. Er hatte gerade mit Hans Eagle und Stephanie Wing Feather in der Turnhalle der zweiten Heimkugel gearbeitet, als Hakim meldete, daß sie genügend Information hätten, um die nächste Entscheidung zu treffen.
Der lange Bug der Dämmerungsgleiter erstreckte sich über etwa hundert Meter von der ersten Heimkugel nach vorn, eine schlanke Nadel, die an der Spitze nur drei Meter Durchmesser hatte. Hakim Hadj und drei Leute vom Suchteam – Li Mountain, Thomas Orchard und Luis Estevez Saguaro – hielten Wache in der Bugspitze, umgeben von Projektionen.
Für sichtbares Licht durchsichtig, zeigte die Bugspitze eine extreme Dunkelheit wie eine klebrige Farbe, die aussah, als könne sie ihre Seelen beschmutzen.
Die Fernsonden, viertausend winzige Sensoren, waren zwei Tage zuvor von der dritten Heimkugel aus gestartet worden. Sie gaben ihre Signale an die Dämmerungsgleiter mit dem gleichen Punkt-zu-Punkt-Sendesystem, das ihre Waffen und Vehikel zu benutzen pflegten, wenn sie sich außerhalb des Schiffs befanden. Innerhalb einer Distanz von zehn Milliarden Kilometern »erschien« die Information einfach in einem Empfänger und konnte dazwischen nicht abgefangen werden. Daher kein Kanal. Die effektive Übertragungsrate war fast momentan. Die Kinder nannten diese momentane Übertragung Mofix.
Die Mütter, der Intellekt des Schiffs, und Bibliotheken antworteten nicht auf Fragen nach dem Wesen von Mofix. Es gehörte zu jenen Hilfsmitteln, die ohne Erklärung angeboten wurden.
Mit den Fernsonden hatte sich das ›Auge‹ der Dämmerungsgleiter enorm erweitert, hatte nun einen Durchmesser von neun Milliarden Kilometern, fast drei Drittel so weit wie das Sonnensystem, das sie studierten.
Hakim stieß durch den Schleier der Projektionen und glitt auf Martin zu. Li Mountain und Luis Estevez Saguaro hielten Wache, hantierten mit ihren Handys, beherrschten aber ihre Begeisterung genügend, um Hakim die
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